Wie Hausärzte lebensmüden Patienten helfen können
Marie SchickingerIn vielen Fällen suchen Patienten vor einem Selbstmordversuch ihre Hausarztpraxis auf. Wer genau hinhört, das Problem offen anspricht und die Betroffenen einer adäquaten Behandlung zuführt, kann Leben retten.
In Deutschland nahmen sich 2022 mehr als 10.000 Menschen das Leben, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Damit liegen Suizide als Todesursache noch weit vor Unfällen im Straßenverkehr, bei denen im selben Jahr bundesweit 2.788 Personen verstorben sind. Die Rate an Selbstmordversuchen ist Schätzungen zufolge zehn- bis 15-mal höher als die der tatsächlich vollendeten Suizide.
Hausärzte haben einen guten Einblick in die Lebensumstände und das familiäre Umfeld ihrer Patienten. Außerdem sind sie oft die erste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Damit nehmen sie eine wichtige Rolle in der Prävention von Suiziden ein.
Personengruppen mit erhöhter Gefährdung für Selbstmord
Im Durchschnitt haben 45 Prozent der Betroffenen im Monat vor ihrem Suizid einen Arzttermin. Doch nur selten sprechen sie das Thema von sich aus an. Deshalb sollten Ärzte im Zweifelsfall aktiv nach suizidalen Gedanken und Handlungsabsichten fragen. Die Sorge, dass die Patienten dadurch erst auf den Gedanken kommen könnten, sich umzubringen, ist übrigens aus Sicht von Experten unbegründet.
Mit einem Anteil von etwa 75 Prozent begehen Männer deutlich öfter Selbstmord als Frauen. Darüber hinaus steigt die Suizidrate mit voranschreitendem Alter. So wurden 2022 überdurchschnittlich viele Suizide bei Personen ab dem 70. Lebensjahr verzeichnet.
Neben dem Alter und dem Geschlecht zählt das Vorliegen einer depressiven Episode zu den Risikofaktoren für Suizidalität. Unter anderem ist bei folgenden Personengruppen von einem erhöhten Suizidrisiko auszugehen:
Menschen mit einem Suizidversuch in der Vorgeschichte
Menschen mit einem Suizid in der Familiengeschichte
Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen (z. B. Depressionen, Angststörung, bipolare Störung, Schizophrenie, Alkohol- oder Drogenmissbrauch)
Patienten mit chronischen Schmerzen
Patienten mit chronischen und lebensverändernden Erkrankungen (z. B. Epilepsie, Diabetes mellitus, AIDS, Krebs, dialysepflichtige Niereninsuffizienz)
Patienten mit lang anhaltenden Schlafstörungen
vereinsamte und isolierte Menschen (z. B. nach Scheidung oder Verwitwung)
Kinder und Jugendliche aus Broken-Home-Verhältnissen
Personal in Medizinal- und Helferberufen
Stellt sich in der Hausarztpraxis heraus, dass ein Patient Suizidgedanken hegt oder seinen Selbstmord sogar bereits geplant oder vorbereitet hat (z. B. Sammeln von Medikamenten, Abschiedsbrief), ist zügiges Einschreiten gefragt.
Bei akuter Suizidalität überlegt handeln
Bei akuter Suizidalität muss der Patient in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. Sollte er das verweigern, ist eine Unterbringung nach den Psychisch-Kranken-(Hilfe-)Gesetzen (PsychK[H]G) der Länder auch gegen seinen Willen möglich. Hierzu muss die Polizei oder die Kreisverwaltungsbehörde verständigt werden. Zur kurzfristigen Gefahrenabwehr können sedierende Psychopharmaka zum Einsatz kommen. Laut der S2k-Leitlinie „Notfallpsychiatrie“ eignen sich Lorazepam (1–2,5 mg p.o. oder i.v.), Diazepam (5–10mg i.v.) oder Promethazin (50–100 mg i.v.). Bei Suizidalität im Gefolge psychotischer Störungen wird die Hinzunahme von Haloperidol (2,5–10 mg i.m.) empfohlen.
Fragebogen zur Einschätzung der Suizidalität
Ein validierter Fragebogen zur Einschätzung der Suizidalität ist der Nurses’ Global Assessment of Suicide Risk (NGASR). Es gib auch eine deutsche Version.
Quelle: