Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arzthaftungsrecht

Oft gibt es für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte nicht nur eine Behandlungsoption. Wenn mehrere Therapien gleichermaßen infrage kommen, müssen sie über mögliche Behandlungsalternativen aufklären, wenn diese zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen (§ 630e Abs. 1 BGB). Denn der Patient soll in die Lage versetzt werden, selbstständig zu entscheiden, welcher Behandlung er unter Berücksichtigung der Risiken und des Nutzens den Vorzug gibt. Im Rahmen seiner Selbstbestimmung muss er entscheiden, auf welchen Weg er sich einlassen will.

Ärztin verordnet Ibuprofen

Im Falle einer Hausärztin war das schiefgegangen. Ihr Patient litt an einer chronischen Niereninsuffizienz. Sie verschrieb ihm wegen immer wieder auftretender Schmerzzustände über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten hinweg Ibuprofen, trotz des damit verbundenen erhöhten Risikos einer Nierenschädigung. Der Patient erlitt ein Nierenversagen und verklagte die Ärztin. Diese habe ihn nicht ausreichend über das bei ihm bestehende erhöhte Risiko eines Nierenversagens durch die Dauermedikation mit Ibuprofen aufgeklärt. Der Patient verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld – jedoch ohne Erfolg (Oberlandesgericht Dresden, 19.07.2023, Az. 4 U 245/23).

Grundsätzlich trägt die Ärztin die Beweislast dafür, richtig aufgeklärt zu haben. Vor Gericht hatte sie jedoch selbst eingestanden, mit dem Patienten nicht über eine alternative Schmerzmedikation gesprochen zu haben. Ärzte tragen aber nicht die Beweislast für den Zusammenhang zwischen einer fehlerhaften Aufklärung und dem eingetretenen Schaden. Mit anderen Worten: Der Patient muss beweisen, dass die unterlassene Aufklärung über Behandlungsoptionen ursächlich für den entstandenen Schaden ist. Er muss beweisen, dass er die Alternative gewählt hätte und dass die Gesundheitsschäden dann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wären. Dies war ihm hier nicht gelungen.

Wie wirkt sich die Beweislast auf Ärzte aus?

Der Fall zeigt, dass es in Arzthaftungsprozessen oft entscheidend auf die Frage ankommt, wer was beweisen muss. Bei diesen Prozessen spielen zwei Bereiche eine Rolle: Behandlungsfehler und Aufklärungsfehler. Im Bereich der Aufklärung ist der Arzt dafür verantwortlich, die ordnungsgemäße Selbstbestimmungsaufklärung seines Patienten zu beweisen. Ohne entsprechende Dokumentation ist das bei der Vielzahl der Arzt-Patienten-Kontakte nur schwer möglich. Die Rechtsprechung hat die Beweisnot des Arztes gesehen. Sie stellt daher keine überhöhten Anforderungen an die Beweisführung. Wenn feststeht, dass ein Aufklärungsgespräch geführt worden ist, kann es für den ärztlichen Nachweis einer ordnungsgemäßen Selbstbestimmungsaufklärung ausreichen, dass das Aufklärungsgespräch „immer so“ durchgeführt wird – auch ohne schriftliche Dokumentation. Behauptet der Arzt, dass ihn an der mangelhaften Aufklärung kein Verschulden trifft, muss er das ebenfalls beweisen. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Patient die Aufklärung nicht verstanden hat, das für den Arzt aber nicht erkennbar war, oder wenn die betreffenden Risiken noch nicht ernsthaft in der Wissenschaft diskutiert wurden.

Keine Beweislastumkehr

Der Patient trägt dagegen die Beweislast dafür, dass der erlittene Schaden die kausale Folge der mangelhaften Aufklärung ist. Einen „groben Aufklärungsfehler“, der wie ein grober Behandlungsfehler zu einer Umkehr der Beweislast führt, gibt es hier nicht. Der Patient kann an dieser Stelle daher weder von Beweiserleichterungen noch von einer Beweislastumkehr zu seinen Gunsten profitieren.

Aufklärungsfehler

2022 untersuchte der Medizinische Dienst Bund 189 Aufklärungsfehler-Vorwürfe. In 79 Fällen konnte ein Aufklärungsfehler festgestellt werden. Die weitaus meisten Fehler passieren aber bei Operationen und in der Befunderhebung.

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