Vom Hackathon in die Arztpraxis: Die Entstehung von Noa Notes
Über die Entstehung der ersten KI-Dokumentation für niedergelassene Ärzte haben wir mit Jurik Kähler, leitendem Software-Entwickler von jameda, gesprochen. Für das KI-Projekt brachte der 43-jährige Familienvater reichlich Erfahrung mit: 2017 ebnete Kähler der Videosprechstunde den Weg in deutsche Arztpraxen. Im Interview verrät er, wie der Boom um ChatGPT die KI-Entwicklung in der ambulanten Versorgung beflügelte, welche Anforderungen instabiles Internet und nuschelnde Patienten stellen und wie er Noa Notes mit Praxisverwaltungssystemen integrieren möchte.
Hallo Herr Kähler. Erzählen Sie uns mehr zur Entstehung von Noa Notes. Wie kam es zur Entwicklung einer KI-Lösung zur Patientendokumentation?
Jurik Kähler: Dass Ärztinnen und Ärzte bis zu drei Stunden täglich dokumentieren, war uns von jameda Kunden nur allzu bekannt. Zugleich eröffneten sich im November 2022 neue Möglichkeiten. Mit der Einführung von ChatGPT war es Millionen Nutzern ohne IT-Kenntnisse erstmals möglich, mit einer KI zu interagieren. Wir fragten uns: Wie können Sprachmodelle wie ChatGPT Ärzten helfen, ihren schriftlichen Aufwand zu verringern? So entstand die Idee zu einem Hackathon in Berlin, auf dem Software-Entwickler aus allen Docplanner-Ländern* einen Prototypen zur KI-gestützten Dokumentation entwickelt haben.
Die Nutzung von ChatGPT erfolgt aber per Texteingabe, während Noa Notes das gesprochene Wort in Sprechstunden zu medizinischen Fakten zusammenfasst. Wie passt das zusammen?
Jurik Kähler: Gute Frage! Zunächst war klar, dass wir Ärzte dort entlasten müssen, wo der eigentliche Dokumentationsaufwand entsteht. Die KI sollte also nicht nur in der Lage sein, medizinische Fakten präzise zu strukturieren, sondern auch dazu, sie während einer Sprechstunde richtig zu erfassen. Für diese Herausforderung konnten wir auf Erfahrungen mit der jameda Videosprechstunde aufbauen. Auch dort ist eine verlustfreie Übertragung von Audiodaten unverzichtbar – mit allen Schwierigkeiten wie instabilem Internet, schlechter Tonqualität, lauten Hintergrundgeräuschen, usw.
Wie haben Sie diese Herausforderungen gelöst?
Jurik Kähler: Nach dem Termin verlassen sich Ärzte auf eine vollständige Zusammenfassung von Noa Notes. Wenn es während der Sprechstunde zu Internet-Abbrüchen kommt, dürfen die Audiodaten also auf keinen Fall verloren gehen. Dafür haben wir sogenannte Buffering-Technologien entwickelt. Gesprochene Informationen werden dann in Abschnitten zwischengespeichert, bevor sie von der KI verarbeitet werden können. Ich erinnere mich auch an einen Hausarzt aus der Testphase, der über fehlerhafte Notizen klagte. Es stellte sich heraus, dass er sein Mikrofon direkt neben der Tastatur platziert hatte. Dafür, dass die Sprechstunde vom Tippen, einem offenen Fenster und einem leise nuschelnden Patienten bestimmt wurde, hat sich die KI wirklich wacker geschlagen.
Noa Notes
Noa Notes spart niedergelassenen Ärzten täglich bis zu zwei Stunden schriftlichen Aufwand: Nach der Aktivierung durch den Arzt fasst die DSGVO-konforme KI-Lösung mit dem Einverständnis von Patienten die medizinischen Fakten in der Sprechstunde zusammen. Für die Transkription kommt die Spracherkennung »Whisper« von OpenAI ausnahmslos auf sicheren jameda Servern zum Einsatz. Testen Sie Noa Notes hier kostenfrei und unverbindlich.
Die KI, von der Sie sprechen, ist das Spracherkennungssystem »Whisper« von OpenAI. Whisper filtert irrelevante Inhalte heraus und sortiert medizinische Informationen. Worin liegt nun, abgesehen von einer störungsfreien Datenübertragung, der genuine Entwickler-Anteil von jameda bzw. Docplanner?
Jurik Kähler: Eine sehr berechtigte Frage. Tatsächlich ist Whisper bereits ein sehr leistungsfähiges System zur Transkription. Damit die KI aber irrelevanten Smalltalk herausfiltert und medizinische Begriffe korrekt verarbeitet, bedarf es intensiven Trainings. Um ein großes Sprachmodell zu trainieren, benötigt man mindestens 50.000 Stunden qualifizierter, anonymisierter Audiodaten. Neben dem störungsfreien Informationsfluss war genau das unsere Kernaufgabe: Die KI mit Fachbegriffen, Pharmazeutika und Gerätschaften in verschiedenen Sprachen zu trainieren. Die Ergebnisse sprechen für sich, denke ich.
Aktuell nutzen Noa Notes in Deutschland einige hundert Praxen. Wie blicken Sie auf die mittelfristige Entwicklung: Wird sich KI gegenüber Praxisverwaltungssystemen (PVS) durchsetzen, die bereits Lösungen zur Dokumentation bieten?
Jurik Kähler: Der Unterschied zwischen Noa Notes und herkömmlichen Systemen ist, dass diese immer nur teilautomatisiert sind, d.h. händische Eingaben von Arzt oder Sprechstundenhilfe erfordern. Noa Notes arbeitet vollständig autonom und lässt Praxen zugleich die Freiheit, die Dokumentation nach eigenen Bedürfnissen zu strukturieren. Gemeinsam mit dem Feedback unserer Nutzer entwickeln wir die KI für spezifische Anwendungsfälle, z.B. in der Abrechnung und Befundung, weiter. Ich will aber auch unterstreichen, dass es kein Gegeneinander sein muss: Wir sind immer bereit, mit PVS-Herstellern über Vernetzung zu sprechen. Die Schaffung gemeinsamer Standards ist zudem ein Thema für die Politik, von der wir uns ein konstruktives und kooperatives Vorgehen erwarten.
Herr Kähler, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Jurik Kähler: Sehr gerne.
* Die internationale jameda Eigentümerin Docplanner Group ist neben Deutschland in 12 weiteren Nationen aktiv.
Quelle:jameda