Schlüsselrolle des Chefs: Starke Führung in der Praxis
Deborah WeinbuchPraxischefs und -chefinnen jonglieren vielfältige Rollen — vom Unternehmer bis hin zum Coach. Wer dabei zum Leitstern für sein Team wird, kann sich über Entlastung und reibungsarme Abläufe freuen.
Eine Praxis zu leiten, erfordert Fachexpertise, Organisationstalent und mehr. Denn Praxisinhaber und -inhaberinnen sind Unternehmer: Sie verbinden die Patientenorientierung mit Wirtschaftlichkeit. Sie sind auch Führungskräfte, die inspirieren und leiten, sowie Coaches, die ihr Team stärken und dessen Potenzial entfalten. Als Manager planen sie Prozesse, steuern Ressourcen und sorgen dafür, dass alles möglichst reibungslos ineinandergreift – auch der Mensch als zentrale Ressource. Doch gerade bei der Führung von Menschen fühlen sich viele unsicher. Wie fördert man Zufriedenheit und Motivation trotz äußerer Belastungen? Wie vermittelt man positive Autorität, wenn Überlastung und Unruhe zunehmen?
Dem Team Orientierung geben
Astrid Schroeder, Coach für Führungskräfte im Gesundheitswesen, beobachtet vermehrt Frustration und Belastung im Praxisalltag. Mit dem Gedanken, woanders könne das Gras grüner sein, geben sich viele Medizinische Fachangestellte (MFA) wechselbereit. „Wir müssen den aktuellen Zeitgeist akzeptieren, ohne Tugenden wie Pünktlichkeit und Ordnung zu vernachlässigen, die für den Praxiserfolg essenziell sind“, rät Schroeder.
Um dem Team Orientierung zu geben, sollten Werte und Erwartungen klar definiert und transparent kommuniziert werden. Dafür empfiehlt die langjährige Projektmanagerin, ein Kernpaket an eigenen Werten festzulegen, das von allen Mitarbeitenden erfüllt werden muss. „Dazu gehört, sich über die eigenen Bedürfnisse, Werte und Ziele vollkommen klar zu werden. Ein Hinweis darauf, wo Nachbesserung nötig ist, sind Störungsgefühle“, sagt sie. „Wenn beispielsweise Mitarbeitende morgens dem Chef oder der Chefin nicht freundlich ‚Guten Tag‘ sagen, spiegelt sich das oft auch im Umgang mit Patienten wider. Solche Probleme können durch gezielte Analysen angegangen werden. „Liegt es an menschlichen Faktoren oder an den Umständen wie einem ungünstig gestalteten Empfangsbereich? Ist beispielsweise der Tresen zu hoch oder in einem ungünstigen Winkel? Letzteres lässt sich beheben, durch bauliche Maßnahmen oder im ersten Schritt mit einem Blumenstrauß oder einem Willkommensschild, das eine angenehme Atmosphäre schafft.“
Eigene Werte den Mitarbeitenden klar vermitteln
Auch für den Fall, dass Mitarbeitende die eigenen Werte nicht wunschgemäß umsetzen, hat Astrid Schroeder klare Strategien: „Mitarbeitende benötigen eine klare Orientierung. Regelmäßiges Feedback ist entscheidend, um Werte und Erwartungen zu kommunizieren.“ So sollten Werte wie Pünktlichkeit im Feedback immer wieder betont werden – zum Beispiel: ‚Pünktlichkeit ist mir wichtig, deshalb hätte ich gerne ...‘ oder ‚Super, wir sind alle pünktlich, wir können anfangen‘. „Durch die gebetsmühlenartige Wiederholung erkennen die Mitarbeitenden, worauf es für mich ankommt,“ erklärt Schroeder. So werden die eigenen Werte im Team verankert. „Dann können wir uns auch auf die Gruppendynamik verlassen“, sagt Schroeder. „Durch die konsequente Kommunikation meiner Haltung sagen die Teammitglieder irgendwann auch untereinander: ‚Seht mal, das ist der Chefin wirklich wichtig.‘“
Ein kleiner Invest kann große Entlastung bringen
Je nach Situation und Teammitgliedern stehen verschiedene Chef-Rollen mehr oder weniger im Vordergrund. Je höher die Anforderungen und je dichter die Taktung, desto wichtiger ist es, die Mitarbeitenden zur Verantwortungsübernahme zu befähigen. Denn ständig überall einzugreifen, führt zu Dauerstress. Entspannung entsteht dagegen, wenn das Team zuverlässig nach den Wünschen und Maßstäben des Chefs oder der Chefin handelt und dessen Persönlichkeit auch nach außen widerspiegelt. Dies gelingt in erster Linie durch eine nachhaltige Werteprägung.
Selbstregulation der Führungskraft ist von zentraler Bedeutung
Der gemeinsame Wertekanon ist Ziel und Mittel zugleich, um ein „Wir-Gefühl“ zu fördern, das die Mitarbeitenden stärkt und langfristig binden kann. So kann das Arbeitsklima zugewandt, aber auch ergebnisorientiert sein. In Stressphasen ist zudem die Selbstregulation der Führungskraft von zentraler Bedeutung. „Das strahlt auf das Team aus“, sagt Schroeder. Die Kommunikation sollte ruhig und lösungsorientiert sein, Probleme sollten direkt angesprochen und später, etwa in der Teamsitzung, reflektiert werden. Für herausfordernde Situationen, wie übergriffiges Verhalten von Patienten, helfen vorbereitete Leitfäden mit Handlungsstrategien, um dem Team Sicherheit zu geben.