Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizin
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Hört man das Schlagwort CO2-Emissionen, denkt man an den Verkehrssektor oder das Heizen von Häusern und Wohnungen. Beides spielt auch eine Rolle beim CO2-Ausstoß des Gesundheitswesens, dessen Anteil an den Gesamtemissionen mit 5,2 Prozent in Deutschland durchaus relevant ist. Emissionen durch die Mobilität von Patienten und Personal sind dabei nämlich ebenso berücksichtigt wie die Heizung von Praxen und Kliniken.

Inhalative Arzneimittel erzeugen großen CO2-Fußabdruck

Doch im hausärztlichen Bereich entsteht der größte CO2-Fußabdruck tatsächlich durch die Verordnung von Medikamenten, insbesondere inhalativer Arzneimittel, die vor allem bei Asthma und chronisch obstruktiver Bronchitis (COPD) verordnet werden. Denn die Dosieraerosole nutzen klimaschädliche Treibmittel, um Wirkstoffe in tiefe Lungenabschnitte zu transportieren: am häufigsten Norfluran mit einem Global Warming Potential (GWP) von 1.530, seltener Apafluran mit einem GWP von 3.600. Ein GWP von 1 entspricht der Treibhauswirkung von CO2.

S1-Leitlinie zur klimabewussten Verordnung von Inhalativa wird zur S2k-Leitlinie

Im Sommer 2022 hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) erstmalig eine S1-Leitlinie zur klimabewussten Verordnung von Inhalativa erstellt. Nun hat sie die Leitlinie in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) zu einer S2k-Leitlinie weiterentwickelt. In der Leitlinie werden vorzugsweise Inhalatoren empfohlen, die den Wirkstoff in Pulverform beinhalten. Nicht empfohlen werden Pulverinhalatoren wegen des notwendigen forcierten Inspirationsmanövers im Allgemeinen für Kinder unter fünf Jahren, für geriatrische Patienten sowie für Patienten mit akuter Exazerbation.

Mehr Klimaschutz durch richtigen Inhalator

Die Leitlinie fasst die Evidenz zur Entscheidung zwischen Pulverinhalatoren und Dosieraerosolen unter Berücksichtigung des Klimaschutzes zusammen. In sieben Empfehlungen und einem Statement gibt sie konkrete Hilfestellungen für die ärztliche Praxis. Im starken Konsens wurde auch ein detaillierter Algorithmus erstellt, der die Verordnung von Inhalativa unter medizinischen und Klimaaspekten leiten kann. Eine Tabelle vergleicht 16 Pulverinhalatoren anhand von 11 Parametern.

Suffiziente Therapie dient auch dem Klima

Laut Arzneiverordnungsreport 2022 werden kurzwirksame ß-Mimetika (SABA) fast ausschließlich als Dosieraerosol verordnet, während deren Anteil an den inhalativen Kortikosteroiden und den langwirksamen ß-Mimetika deutlich geringer ist. Eine Empfehlung der Leitlinie ist, bei Asthma-Patienten, die im Jahr mehr als zwei N1-Packungen SABA verordnet bekommen, die Therapie zu überprüfen – viel Bedarfsmedikation ist ein Indikator für insuffiziente Kontrolle.

Gebündeltes Wissen aus verschiedenen Disziplinen

Die Leitlinie zeichnet sich nun auch durch eine stärkere interdisziplinäre Perspektive aus: Neben DEGAM und DGP wurden drei pädiatrische Fachgesellschaften und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin eingebunden. Die Arzneimittelkommission der Apotheker hat sich eingebracht, um zu den verschiedenen Darreichungsformen mit ihrer jeweiligen Klimabilanz zu informieren. 

Entsorgung der Inhalatoren

Auch der Aspekt der Entsorgung der Inhalatoren wird in der neuen Fassung der Leitlinie erstmalig aufgegriffen. In Bezug auf die Vermeidung von Müll sei auch die vollständige Nutzung von Relevanz. Nur mit einem Zählwerk ist die Anzahl der verbleibenden Anwendungen eindeutig nachvollziehbar. Technisch bedingt enthalten Dosieraerosole auch nach vollständigem Verbrauch des Wirkstoffs noch Treibmittel. Dies begünstige durch vorzeitige Neuverordnung einen erhöhten Verbrauch, erhöhe aber andererseits durch Nutzung bei fehlendem Wirkstoff auch das Risiko für eine unzureichende Behandlung.

Problematischer Kreislauf

Chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD werden durch den Klimawandel und seine Ursachen wie Feinstaub begünstigt. Bereits heute gehören sie zu den häufigsten Erkrankungen.

Quelle:

S2k-Leitlinie „Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln“; AWMF-Nr. 053-059