Aktuelles Urteil offenbart Risiken von Bonusvereinbarungen für Ärzte
Judith MeisterArbeitnehmer können Schadensersatz von ihrem Chef verlangen, wenn dieser ihnen bonusrelevante Ziele verspätet vorgibt. Doch was bedeutet das genau? Und welche Kosten kommen auf Arbeitgeber zu, denen bei der Zielvorgabe Fehler unterlaufen?
Festangestellte Ärzte erhalten neben dem Fixgehalt oft auch variable Vergütungsbestandteile. In der Regel soll das zusätzliche Geld aber nur fließen, wenn die Betreffenden bestimmte Ziele erreichen, die der Chef mit ihnen vereinbart oder einseitig vorgibt.
Eine denkbare Vorgabe könnte es zum Beispiel sein, die Umsatzzahlen um einen bestimmten Prozentsatz zu steigern oder bis zu einem bestimmten Termin eine spezielle Fortbildung zu absolvieren. Bleibt die Frage, wann solche Zielvorgaben dem Arbeitnehmer bekannt zu gegeben sind? Und welche Folgen haben Versäumnisse in diesem Bereich?
Jahresabschlussgespräch bietet sich als Termin an
Als Termin für die Zielvereinbarung/-vorgabe bietet sich das Jahresabschlussgespräch an. In dessen Rahmen lässt sich nicht nur klären, ob der angestellte Arzt oder die angestellte Ärztin die im Vorjahr vorgegebenen Ziele erreicht hat und daher den Bonus fürs auslaufende Jahr erhält.
Der Arbeitgeber kann ggfls. auch neue Vorgaben fürs kommende Jahr machen und damit einen Anreiz für besondere Anstrengungen seiner Mitarbeiter setzen.
Die Vorweihnachtszeit gehört allerdings auch in Arztpraxen oft zur hektischsten Zeit des Jahres. Vielfach verschiebt sich das Jahresendgespräch daher in eine etwas ruhigere Phase. Wie riskant ein solches Vorgehen ist, beweist jedoch ein aktuelles Urteil des höchsten deutschen Arbeitsgerichtes.
Wer Personalgespräche ausfallen lässt, geht ein hohes Risiko ein
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied: Arbeitnehmer können von ihrem Arbeitgeber Schadensersatzanspruch verlangen, wenn dieser ihnen nicht rechtzeitig sagt, welche Ziele sie erreichen müssen, um ihren Bonus zu erhalten. Das gilt zumindest dann, wenn eine nachträgliche Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann (BAG, Az. 10 AZR 57/24).
Geklagt hatte eine Führungskraft, deren Arbeitsvertrag einen Anspruch auf eine variable Vergütung vorsah. Eine Betriebsvereinbarung bestimmte zudem, dass bis zum 1. März des Kalenderjahres eine Zielvorgabe zu erfolgen habe, die sich zu 70 Prozent aus Unternehmenszielen sowie zu 30 Prozent aus individuellen Zielen zusammensetzt. Wieviel Bonus die betreffenden Mitarbeiter am Ende erhalten sollten, war davon abhängig, in welchem Umfang sie diese Ziele erreicht hatten.
Im Jahr 2019 erhielt der klagende Arbeitnehmer von seinem Chef allerdings keinerlei Vorgaben. Stattdessen teilte ihm das Unternehmen Ende September mit, dass man in seinem Fall von einem Zielerreichungsgrad von 142 Prozent für seine persönlichen Ziele ausgehe.
Mitte Oktober teilte die Firma dann konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung mit. Für das Jahr 2019 erhielt dem Mann daraufhin rund 15.500 Euro an variabler Vergütung, obwohl er keinerlei persönliche Zielvorgaben gehabt hatte.
Arbeitnehmer erhält zusätzlich zum Bonus 16.000 Euro Schadenersatz
Der Arbeitnehmer war damit alles andere als zufrieden. Er klagte auf Schadenersatz. Da ihm für das Jahr 2019 die Unternehmensziele sehr verspätet vorgegeben und auf individuelle Ziele völlig verzichtet worden sei, habe er seine Arbeit nicht darauf ausrichten können.
Wenn man davon ausgehe, dass er rechtzeitig vorgegebene Unternehmensziele zu 100 Prozent und individuelle Ziele entsprechend von 142 Prozent erreicht hätte, hätte er einen höheren Bonus erhalten.
Nachdem die erste Instanz noch zugunsten des Arbeitgebers entschieden hatte, gaben das Landes- und das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitnehmer recht. Der Arbeitgeber habe seine Pflichten dadurch verletzt, dass die verbindliche Mitteilung der Unternehmensziele erst erfolgte, nachdem 75 Prozent des Zielzeitraums 2019 bereits verstrichen waren.
„Eine ihrer Motivations- und Anreizfunktion gerecht werdende Zielvorgabe war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich", so die Erfurter Richter.