New Work in der Arztpraxis
„New Work“ ist ein Begriff, der aktuell viel im Umlauf ist. Während den einen dabei ein Funkeln in die Augen kommt, führt es bei anderen dazu, dass sich die Fußnägel hochrollen. Doch die Arbeitswelt ändert sich und es lohnt sich zumindest mal zu fragen, ob die eigene Praxis dies auch tut und wie? New Work umfasst eine Vielzahl von Aspekten, die ganz unterschiedliche Bereiche betreffen. Wir bieten einen Überblick und Beispiele für ganz konkrete Maßnahmen.
New Work im Überblick
New Work ist ursprünglich eine Sozialutopie basierend auf der Arbeit des Philosophen Frithjof Harold Bergmann. Im Kern geht es um die Erwartungen und Wünsche der Arbeitnehmer an ihre Arbeitsstelle. Daraus hat sich ein Modell für eine moderne Arbeitskultur entwickelt, das einen Blick lohnt, weil sie die aktuellen Herausforderungen vieler Praxen adressiert:
Fachkräftemangel (z. B. medizinische Fachangestellte, MFA)
Hoher Arbeitsdruck und Zeitmangel
Steigende Bürokratisierung
Bedarf an Digitalisierung
Wünsche der Mitarbeitenden nach besserer Work-Life-Balance
Damit ist New Work kein abgehobener Luxus, den man sich leisten können, muss, sondern tatsächlich eine Möglichkeit Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten, weil sie zufriedener sind. Langfristig führt das bei einer Praxis zur höheren Effizienz.
New Work und wie man es umsetzt
Es gibt unterschiedliche Modelle von „New Work“. Zum Beispiel haben Vera Starker, David-Ruben Thies und Mona Frommelt 7 zentrale Prinzipien von New Work in der Medizin definiert. Aufbauend darauf gibt es einige Punkte, die in Praxen umgesetzt werden können:
Selbstverantwortung
Um die Identifikation mit der Arbeit und das Erleben von Selbstwirksamkeit zu fördern, gibt es folgende Möglichkeiten:
Übertragung von Verantwortung: Verantwortung für Aufgabenbereiche sollte auf einzelne Mitarbeitende oder Gruppen übertragen werden, zum Beispiel kann die Schichtplanung (und Urlaubsplanung) in einem großen MVZ den MFAs übertragen werden.
Feedback einholen: eine autonome Selbstorganisation, erlaubt auch die Verbesserung von Abläufen. Denn zur Selbstverantwortung gehört auch eine wertschätzende und aktive Feedback-Kultur. Dieses Feedback kann in regelmäßigen Einzelgesprächen, Teammeetings oder anonymen Abfragen eingeholt werden. Hierzu gehört auch das Feedback von Patienten.
Work-Life-Balance
Bei der Work-Life-Balance geht es darum, Arbeit und Privatleben ausgeglichen unter einen Hut zu bringen. Dafür eignen sich im Praxisalltag:
Flexible Arbeitszeiten: Wichtig sind dafür Teilzeitmodelle (für alle Berufsgruppen), Gleitzeit, Jobsharing und Homeoffice (z.B. für administrative Tätigkeiten).
Reduzierung von Überstunden: durch Optimierung von Arbeitsprozessen, Arbeitszeiten effektiver gestalten
Gesundheitsförderung: dazu gehören gesunde Arbeitsbedingungen, wie ergonomische Arbeitsplätze, stressreduzierende Maßnahmen, wie einen ruhigen Rückzugsort, der für Patienten nicht zugänglich ist oder die Förderung der Gesundheit außerhalb der Arbeit, zum Beispiel durch den erleichterten Zugang zu Sportangeboten (z.B. den Wellpass, Firmenfahrrad).
Digitalisierung
New Work ist geprägt durch den technischen Fortschritt und die Möglichkeiten, die sich dadurch bieten. In der Arztpraxis bietet sie:
Digitale Lösungen: dabei geht es hauptsächlich darum zeitintensive und sich wiederholende Aufgaben zu digitalisieren, um Mitarbeitende zu entlasten. Das können digitale Lösungen für die Terminierung, die Bearbeitung von häufigen Patientenanfragen sein, wie zum Beispiel Docmedico oder Abrechnungssysteme. Das erlaubt auch ein fokussiertes Arbeiten mit weniger Unterbrechungen und Ablenkungen
Erleichterung der Kommunikation: entweder innerhalb der Praxis mittels Messenger-Diensten. Dabei ist aber auf den Datenschutz, vor allem von Patientendaten zu achten
Telemedizin: online-Sprechstunden können die zeitlichen Ressourcen von Patienten und Ärzten schonen
Sinn
Sinn in der eigenen Arbeit zu sehen, fördert die intrinsische Motivation, das heißt den inneren Antrieb, der Mitarbeitenden, deshalb:
Ein Leitbild machen: Dabei ist zu überlegen, welche Werte in der Praxis, aber auch bei einzelnen Mitarbeitenden, bei der Berufswahl ausschlaggebend waren/sind. Diese Werte in der alltäglichen Arbeit zum Leitbild zu machen, fördert die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit für Mitarbeitende und die Praxisleitung.
Entwicklung
Die persönliche Entwicklung der Mitarbeitenden ist ein zentraler Aspekt von New Work, da es dabei um die Selbstentfaltung geht. Folgende Aspekte sind dabei wichtig:
Weiter- oder Fortbildungsmöglichkeiten: das können kurze Schulungen zu medizinischen Themen innerhalb des Teams sein, Fortbildungen zu Digitalisierungsthemen oder Weiterbildungen zur Kompetenzerweiterung
Karriereperspektiven: gibt es Aufstiegschancen innerhalb der Praxis, z.B. auch durch Übertragung von mehr Verantwortung, kann dies ein zusätzlicher Motivator für Mitarbeitende sein. Mentoring-Programme, bei denen erfahrene Mitarbeitende, neue begleiten, kommt beiden Seiten zugute
Mitarbeiterbeteiligung
Damit sich Mitarbeitende als Teil einer Gemeinschaft fühlen, in der sie einen Unterschied machen können und ihre Meinung wertgeschätzt wird, braucht es:
Teilhabe an Entscheidungen: werden alle Teammitglieder in Entscheidungen einbezogen, kann dies zwar aufwendiger sein, es werden aber verschiedene Perspektiven berücksichtigt und kommt es zu einer Einigung, werden die Entscheidungen auch eher von allen getragen und auch erfolgreicher umgesetzt. Zudem erleben Mitarbeitende eine höhere Selbstwirksamkeit, wenn sie in Entscheidungen miteinbezogen werden.
Förderung der Teamkultur: ob professionelle Events, wie Schulungen oder Meetings oder private Events, wie Feiern oder gemeinsame Unternehmungen, beide dienen dem Teamgeist. Dieser stärkt den Zusammenhalt in der Praxis und verbessert die Zusammenarbeit.
Sicherlich erfordert es zunächst Zeit und Mühe sich Gedanken über Veränderungen in der Praxis im Sinne von „New Work“ zu machen. Auch Kosten können durch die Anschaffung, zum Beispiel neuer Software, anfallen. Wenn wir jedoch ehrlich sind, ist die Grundidee von „New Work“ gar nicht so neu und damit auch nicht ein vorübergehender Trend, der schon wieder vorbeigehen wird. Denn es geht darum, als Mensch im Ganzen gesehen und wertgeschätzt zu werden, auch in der Arbeit und das wollen wir schließlich am Ende des Tages alle.
Quelle:Heim, C. (2024). New Work in der Medizin: Paradigmenwechsel oder Utopie?. Zeitschrift für Herz-, Thorax-und Gefäßchirurgie, 38(6), 317-319.
Medi Verbund New Work in der Praxis: „Es muss ein Kulturwandel stat.tfinden“ https://www.medi-verbund.de/2023/03/new-work/, letzter Aufruf am 18.12.2024
Ärztestellen, Güthoff, S. (2023) Ärztinnen und Ärzte in Führung: New Work in der Medizin umsetzen, https://aerztestellen.aerzteblatt.de/de/redaktion/aerztinnen-und-aerzte-fuehrung-new-work-der-medizin-umsetzen, Letzter Aufruf am 18.12.2024