Preisschwankungen am Strommarkt ausnutzen: Sind dynamische Stromtarife für Arztpraxen geeignet?
Deborah WeinbuchDie neuen dynamischen Stromtarife richten sich in Echtzeit nach den Preisschwankungen am Strommarkt. Wer seinen Verbrauch flexibel steuern kann, spart so Stromkosten. Wie geeignet ist dieses Modell für Praxen?
Seit dem 1. Januar 2025 sind alle Stromanbieter in Deutschland verpflichtet, dynamische Stromtarife anzubieten. Grundlage ist das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende. Vor allem Haushalte mit hohem Energieverbrauch, etwa durch Elektroautos oder Wärmepumpen, könnten davon profitieren, während solche Tarife für Arztpraxen weniger geeignet erscheinen.
Bei dynamischen Stromtarifen richtet sich der Preis pro Kilowattstunde stündlich oder täglich nach den Preisschwankungen an der Strombörse, je nach Angebot und Nachfrage. Günstige Tarife sind beispielsweise tagsüber im Sommer bei hoher Solarenergieproduktion oder nachts bei geringer Nachfrage zu erwarten. Wer seinen Stromverbrauch auf diese Zeiten verlagert, etwa für das Laden eines Elektroautos, kann deutlich Kosten sparen. Voraussetzung ist ein intelligentes Messsystem (Smart Meter), das den Verbrauch in Echtzeit erfasst und übermittelt. Dynamische Tarife erfordern allerdings Engagement: Die Strompreise müssen regelmäßig überprüft und das Verbrauchsverhalten angepasst werden. Wer daheim bereits ein smartes Energiemanagementsystem nutzt, zur Steuerung der Photovoltaikanlage, des Batteriespeichers und der steuerbaren Verbrauchsgeräte, kann besonders profitieren – zumindest in Zeiten, in denen die eigene Photovoltaikanlage nicht genug abwirft.
Für wen dynamische Tarife beim Strom nicht geeignet sind
Für Praxen sind dynamische Tarife hingegen weniger geeignet. Ihr Stromverbrauch konzentriert sich auf die werktäglichen Kernzeiten von 8 bis 18 Uhr, in denen Strom meist teurer ist. Kühlgeräte laufen durchgehend und Geräte wie Sterilisatoren, Ultraschall oder EKG werden nach Bedarf eingesetzt. Dieser Verbrauch ist kaum flexibel. Unvorhersehbare Preisspitzen können so zu einer finanziellen Belastung führen. Für Praxen ist es daher sinnvoller, auf energieeffiziente Geräte und Lichttechnik zu setzen und das Verbrauchsverhalten bei Bürogeräten zu optimieren.
Zudem können die Preisschwankungen an den Spotmärkten Rekordhöhen erreichen, warnt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband. Laut seiner repräsentativen Umfrage würden 72 Prozent der Deutschen dynamische Tarife attraktiver finden, wenn sie vor extremen Preisspitzen abgesichert wären. Ein Paradebeispiel für explodierende Strompreise fand letzten Dezember wegen einer Dunkelflaute statt. Die Großhandelspreise für Strom schnellten auf 936 Euro pro Megawattstunde hoch. Der durchschnittliche Preis in 2024 belief sich hingegen auf 78,51 Euro/MWh.
Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz der Preisbildung, die von Anbieter zu Anbieter variiert. Unterschiedliche Preisbestandteile, Servicegebühren und Aufschläge erschweren die Nachvollziehbarkeit und den Tarifvergleich. Einige bieten auch keine monatliche Kündigungsoption, sondern binden Kunden bis zu einem Jahr – eine Entscheidung, die gut überlegt und vorbereitet sein sollte.
Alternative für Arztpraxen
Dynamische Stromtarife erfordern eine hohe Flexibilität. Ohne Anpassung des Verbrauchsverhaltens können sie schnell teuer werden – und das volle Kostenrisiko liegt beim Kunden. Für Arztpraxen dürften diese Tarife nur selten passen. Bei hohem Verbrauch empfiehlt sich stattdessen ein Vergleich von Business-Tarifen oder Gewerbestrom.
Es gibt Gewerbetarife für „kleine Kunden“, die sich auch an Freiberufler und andere juristische Personen richten. Sie erfordern keine hohen Mindestabnahmemengen und auch keinen Gewerbeschein.