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Laut Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands, nimmt das Risiko von Stromausfällen in Deutschland enorm zu. Die reduzierten Gaslieferungen seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, Cyberangriffe auf Netzbetreiber und immer wieder extreme Wetterereignisse wie Flutwellen oder schwere Stürme infolge der Klimakrise: Alles das macht Engpässe und sogar Blackouts aus seiner Sicht wahrscheinlicher. „Die Gefahr von Ausfällen bei der Energieversorgung ist wegen des Konflikts mit Russland sehr real“, sagt TÜV-Experte Bühler. Die Versorgung wichtiger Gebäude mit Notstrom werde deshalb immer wichtiger.

Weitreichende Auswirkungen auf Arztpraxen

Auch CSU-Politiker warnen davor, dass die Versorgungslage bei uns aktuell nicht wirklich gesichert ist. Die Bundesregierung empfahl insbesondere den Betreibern kritischer Infrastruktur im Juli bereits, sich vorsichtshalber mit Notstromaggregaten einzudecken. Damit sollen sich bis zu 72 Stunden überbrücken lassen.

Auch wenn Arztpraxen nicht zu der kritischen Infrastruktur gehören, haben Stromausfälle dort mitunter schwerwiegende Folgen: Licht aus, Telefon stumm, Kühlschrank dunkel, IT-System down und medizinische Geräte tot. Obendrein kommen Klima- oder Heizungsanlagen zum Erliegen. Den Betrieb danach wieder vollständig aufzunehmen, kostet Zeit und Geld. Zum Beispiel dauert die Wiederherstellung der EDV nach einem Absturz oft Tage. Zudem können Patienten nicht im vollen Umfang versorgt und kühlkettenpflichtige Medikamente müssen entsorgt werden.

Notfallgenerator nur in Einzelfällen sinnvoll

Obwohl in Deutschland vergleichsweise selten Stromausfälle auftreten und meistens nur für eine kurze Zeit, ist es sinnvoll, vor dem kommenden Winter die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Krankenhäuser müssen etwa nach dem Gesetz über Gefahrenabwehr eine Notstromversorgung haben, die für bis zu 24 Stunden in Kernbereichen den Betrieb essenzieller Systeme aufrechterhält.

Für Arztpraxen gibt es dazu zwar keine Vorgaben. Trotzdem ist es ratsam, dass Niedergelassene und ihre Mitarbeitenden auf eventuelle Blackouts vorbereitet sind. Ein fest verbauter Generator ist wirtschaftlich betrachtet dabei nur vereinzelt sinnvoll, denn ein guter kostet oft mehrere Tausend Euro. Hausarztpraxen meistern einfache Diagnosen und Behandlungen im Notfall vorübergehend oft auch ohne den Einsatz elektrischer Geräte.

Technikabhängige Facharztpraxen sind jedoch ohne Energie kaum arbeitsfähig. Kleine, mobile Stromerzeuger sind mit Diesel-, Benzin- oder Gasmotoren ab rund 350 Euro in Handel erhältlich. Bei der Auswahl des Antriebes sind die Vorschriften zur Kraftstofflagerung zu berücksichtigen. So dürfen maximal zehn Kilogramm Benzin und 20 Kilogramm Diesel in dafür geeigneten Kanistern im Keller gelagert werden. Nur an gut belüfteten und trockenen Orten ist der Einsatz erlaubt – in Innenräumen droht Erstickungsgefahr wegen der Abgase.

Abläufe im Voraus durch Maßnahmenplan regeln

Ein möglicher Stromausfall muss Bestandteil des Notfall- und Qualitätsmanagements in jeder Praxis sein. Dieses hilft nur, wenn es regelmäßig an die aktuelle Risikolage angepasst wird. Das Team sollte durch Unterweisungen und Übungen wissen, wie es sich im Ernstfall zu verhalten hat. Je nach Lage gilt es, zunächst Patienten zu informieren, zu beruhigen und wo möglich noch zu versorgen. Beim Verlassen der Praxis sollten die Ausgänge und Fluchtwege frei und ausreichend gekennzeichnet sein.

Wichtige Unterlagen etwa zu Verträgen und Versicherungen sowie die Telefonnummern von Stromanbietern, IT-Dienstleistern und Reparaturbetrieben müssen ausgedruckt und in einem Order verpackt werden, der griffbereit steht. Checklisten und Dokumentationsvorlagen, die im Idealfall auch enthalten sind, erleichtern die Arbeit. Möglicherweise müssen vorübergehend Patientendaten auf Papier festgehalten und Rezepte per Hand geschrieben werden.

Richtiges Vorgehen im Ernstfall

Zunächst gilt es, die Ursache und das Ausmaß des Stromausfalls herauszufinden. Das bedeutet: Den Sicherungskasten prüfen, mit Nachbarn sprechen und beim Energieversorger anrufen, falls das per Smartphone möglich ist. Bis auf eine Lampe sollte man alle elektrischen Geräte ausschalten und vom Strom nehmen, rät Sven Gutekunst, IT-Abteilungsleiter bei der Mediverbund AG. Das verhindere, dass es zur Netzüberlastung kommt und die Sicherung rausfliegt, wenn der Ausfall behoben ist. Kommt der Strom wieder, sollten die Geräte nach und nach wieder angeschaltet werden.

Zum Schutz der Server und Rechner empfiehlt der IT-Experte, nicht nur den Schalter zu betätigen, sondern die Stecker zu ziehen. Das Praxispersonal sollte zudem Kühl- und Gefrierschränke, so gut es geht, geschlossen halten, um den Inhalt so lange wie möglich kalt zu halten. Moderne Geräte können die Temperatur für etwa acht Stunden halten. „Ein Thermologger zeigt an, ob der Temperaturrahmen eingehalten wurde“, sagt Gutekunst.

Batterien, Ersatzakkus und USV vorhalten

Sicherheitsexperten empfehlen ausreichend Vorräte an Medikamenten, Hygieneartikeln und einen DIN-Verbandkasten. „Im ersten Moment kann man Smartphones mit Taschenlampen-Apps einsetzen, um sich in einer schlagartig dunklen Praxis zu orientieren“, erklärt Gutekunst. Sinnvoller sei es, mehrere batteriebetriebene Taschenlampen für die erste Orientierung parat zu haben. Für längere Einsätze empfiehlt er energiesparende LED-Leuchten und gegebenenfalls Stirnlampen, damit die Hände frei sind. Dafür sollten jeweils genügend Ersatzbatterien vorhanden sein. Wichtig sind darüber hinaus geladene Ersatzakkus für Mobilfunkgeräte und Laptops. Solarbetriebene Batterieladegeräte oder Powerbanks können auch eine Hilfe sein.

Arztpraxen sind außerdem gut beraten, sich mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) gegen Spannungsschwankungen und Blackouts zu rüsten. Die USV läuft mit Batterien, die regelmäßig aufgeladen oder ausgetauscht werden müssen. Bei einem Stromausfall versorgt sie die angeschlossenen Geräte noch für einige Minuten mit Energie. Damit lasse sich der Server geregelt und ohne Datenverlust herunterfahren, so Gutekunst.

 

Schadenersatz
Den Versicherungsschutz prüfen

Wenn an der Technik etwas kaputt gegangen ist, sollten Niedergelassene dies dokumentieren und gleich der Versicherung melden. Mit einer Praxisversicherung mit Allgefahrendeckung können sie sich nicht nur vor Schäden an elektronischen Geräten und kühlpflichtigen Arzneimitteln finanziell schützen, sondern übrigens auch vor Verdienstausfällen, die in der Folge entstehen. Ein Blick ins Kleingedruckte verrät, welche Schäden genau ersetzt werden.

Denn der Netzbetreiber haftet lediglich für einen Stromausfall, wenn der Schaden durch Vorsatz oder einfache Fahrlässigkeit verursacht wurde. Pro Sachschaden kann ein Anschlussnutzer zwar bis zu 5.000 Euro verlangen. Solch ein Verschulden zu beweisen, ist aber schwierig. Und wenn höhere Gewalt die Ursache war, geht der Geschädigte leer aus. Dazu zählen typischerweise zum Beispiel behördliche Anordnungen und Naturkatastrophen.