Mysteriöser Kriminalfall: Verurteilte Krankenschwester geht in Revision
A&W RedaktionHat sie oder hat sie nicht ihre Kollegen mit selbstgebackenen Plätzchen vergiftet? In der ersten Instanz ist eine Krankenschwester aus Hessen schuldig gesprochen worden. Sie selbst streitet die Tat ab, doch an ihrem Mixer hafteten verdächtige Spuren. Nun wird die Frage den Bundesgerichtshof beschäftigen.
Der Fall aus der hessischen Provinz sorgte bundesweit für Schlagzeilen, nun geht das Verfahren in die nächste Runde. Im Mai hatte das Landgericht Gießen eine 54 Jahre alte Krankenschwester der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach Überzeugung des Gerichts hat sie ihren Kollegen heimlich ein hochdosiertes Beruhigungsmittel verabreicht (Az. 5 Ks-402 Js 15 333/19). Die Angeklagte hingegen beteuert ihre Unschuld – und hat nun Revision gegen das Urteil eingelegt.
Ein seltsamer Fall
Tatsächlich gibt der Fall noch einige Rätsel auf. Zwar sah das Schwurgericht es als erwiesen an, dass die Frau im September 2017 sowie im März 2019 selbst gebackene Kekse mit Arzneien versetzte und diese in Teeküche des Krankenhauses zum Zugreifen hinstellte. Mehrere Kollegen waren dem Angebot gefolgt und hatten nach dem Verzehr schwere gesundheitliche Probleme bekommen, einige klagten über Schwindel oder wurden bewusstlos. Ein Kollege schwebte sogar in Lebensgefahr.
Allerdings konnte Gericht kein Motiv ausmachen, warum die Frau ihren Kollegen hätte schaden wollen – zudem leugnet die Angeklagte die Tat nach wie vor. Die Indizien wiederum sprachen eindeutig gegen die Krankenschwester.
Wichtigstes Beweisstück war das Mixgerät der Frau. An diesem hafteten Spuren von zwei Arzneimitteln, die auch im Körper der vergifteten Kollegen nachgewiesen worden waren. Außerdem fanden Ermittler im Hausmüll der Krankenschwester eine leere Beruhigungsmittel-Packung. Die Dienstzeiten der Frau passten laut Gericht ebenfalls zu den Vorfällen.
Erdrückende Beweise
Die Aussagen der Krankenschwester, dass sie ihren Mixer einige Male mit in die Klinik genommen habe, um sich dort Smoothies zuzubereiten, weswegen jeder ihre Kollegen Zugriff auf das Gerät gehabt hätte, überzeugte die Vorsitzende Richterin hingegen ebenso wenig wie die Einlassung, die Arzneimittelpackung in ihrem Abfall stamme von einer Kollegin, die öfter bei ihr übernachtet habe. Erstens war das Medikament laut der Chargen-Nummer auf der Verpackung erst nach den vermeintlichen Übernachtungsbesuchen auf den Markt gekommen.
Zweitens konnte niemand in der Klinik bestätigen, dass jemals ein Mixer in der Teeküche stand. Das Gericht verurteilte die Krankenschwester unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, einen Tötungsvorsatz konnte es nicht erkennen. Ob der BGH diese Rechtsauffassung teilt, bleibt abzuwarten. Bis die Sache in Karlsruhe entscheidungsreif wird, kann jedenfalls noch viel Zeit vergehen.