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Recht
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Warum Ärzte ihre Preise nicht selbst festlegen dürfen

Was dem Vertragsarzt der EBM, ist dem privat behandelnden Mediziner die GOÄ. Sie steckt einen verbindlichen Rahmen für privatärztliche Honorare ab. Das bedeutet: Individuelle Absprachen mit den Patienten sind zwar möglich, müssen sich aber innerhalb der von der GOÄ vorgesehenen Abweichungskorridore bewegen. Anpassungen der GOÄ-Vergütung – etwa durch Vereinbarung eines höheren Steigerungssatzes – sind folglich erlaubt, Pauschalpreise für medizinische Leistungen verboten. Das gilt selbst bei elektiven oder ästhetischen Eingriffen ohne medizinische Indikation. Ärzte, die mit ihrem Patienten dennoch ein Pauschalhonorar vereinbaren, riskieren, dass ein Gericht den Vertrag im Streitfall als unwirksam einstuft. Die Folge ist, dass der Arzt den Anspruch auf die so berechnete Vergütung verliert. 

Bisherige Rechtsprechung

Wie fast immer in der Juristerei gab es von dieser Regel allerdings auch Ausnahmen. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einer Entscheidung festgestellt, dass die GOÄ sich nur an natürliche Personen richtet. Normadressaten seien also nur niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Für sogenannte juristische Personen hin­gegen sei die GOÄ nicht einschlägig (Urteil vom 21.09.2023, Az. 6 W 69/23).

Ist also eine Praxis als Kapitalgesellschaft, etwa als GmbH organisiert, erwirbt sie laut diesem Gerichtsurteil dadurch eine eigene Rechtspersönlichkeit. Damit ist es nicht mehr der Arzt, der den Vertrag mit den Patienten schließt, sondern die Gesellschaft. Und diese unterfällt eben nicht dem Regelungsregime der GOÄ. Entsprechend dürften zum Beispiel MVZ-GmbHs die Preise für ihre Leistungen frei vereinbaren. Die Bindung an GOÄ-Gebührenziffern und Steigerungssätze würde demnach ebenso wie das Verbot von Pauschalhonoraren entfallen. 

MVZ-GmbHs durften ihre Preise selbst festlegen

Experten waren von der Entscheidung wenig überrascht, da auch Privatkliniken unabhängig von der GOÄ abrechnen dürfen. Dass dieselben Regeln auch für juristische Personen in der ambulanten Versorgung gelten, sei daher nur logisch, sagt etwa Tim Müller, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Ecovis in München. Dennoch werde sich das Preismodell in der Fläche wohl nicht durchsetzen, da die privaten Krankenversicherer regelmäßig nur die Kosten für Leistungen erstatten, die nach der GOÄ abgerechnet werden. Auch der Sachverhalt, mit dem sich das OLG Frankfurt im konkreten Fall auseinanderzusetzen hatte, gehört nicht zum klassischen privatärztlichen Brot- und Butter-Geschäft: In der verhandelten Sache ging es um eine GmbH, die über eine von ihr entwickelte Internetplattform ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit einer medizinischem Cannabis-Therapie anbot. 

Online warb das Unternehmen damit, dass bei ihr die Behandlungsleistungen der kooperierenden Ärzte zeitlich befristet zu extrem günstigen Sonderpreisen zu haben seien. Zum Beispiel wurde Patienten, die zwischen dem 1. und 7. Mai 2023 über die Plattform einen Arzttermin buchten, laut Ankündigung Rabatte auf die ärztlichen Gebührenforderungen für alle Videotermine in Höhe von 25 Prozent angeboten, für das ärztliche Folgegespräch wurde ein Discount von 20 Prozent versprochen (80 statt 100 €). Weitere Folgetermine wurden mit 25 Prozent rabattiert und kosteten statt 80 nur 60 Euro. 

Gegen diese Geschäftspraxis klagte ein Wettbewerber – hatte aber keinen Erfolg.

Aktuelles BGH-Urteil: MVZ und Privatkliniken sind doch an GOÄ gebunden

Eine überraschende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) sorgt nun aber für Aufregung bei vielen MVZ und Privatkliniken. Das Gericht hat erstmals höchstrichterlich die Frage geklärt, ob die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auch dann gilt, wenn der Behandlungsvertrag nicht direkt mit dem behandelnden Arzt geschlossen wird, sondern mit einer juristischen Person, also etwa einer MVZ-GmbH oder Privatklinik. Bislang wurde die Rechtsfrage von zahlreichen Gerichten überwiegend mit nein beantwortet, was den MVZ und Kliniken die Möglichkeit eröffnete, Preise frei festzulegen.

Nun hat der BGH entschieden, dass es nicht entscheidend ist, ob der Patient den Behandlungsvertrag über die Erbringung ambulanter Leistungen unmittelbar mit dem Arzt oder mit einer juristischen Person abschließt. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ sei die Verordnung auf alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ anwendbar. Die Norm unterscheide nicht zwischen Leistungen auf Basis eines Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient oder Arzt und Kapitalgesellschaften. Das Urteil bedeutet eine 180-Grad-Wende in der bisherigen Rechtsprechung (04.04.2024, Az. III ZR 38/23).