Verordnungspraxis: Im Zweifel für das Generikum
Judith MeisterWenn Patienten jahrelang grüne Pillen aus einer blauen Packung nehmen, kann die Umstellung auf ein Generikum, das anders aussieht, Probleme machen. Ärztinnen und Ärzte sollten sich trotzdem überlegen, ob und wann sie dem Wunsch entsprechen, auf der Verordnung das Aut-idem-Feld zu markieren.
Die Bibel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist das 5. Sozialgesetzbuch, SGB V. Besonders wichtig ist dessen Paragraf 12, das sogenannte Wirtschaftlichkeitsgebot. Es schreibt vor, dass Leistungen für Kassenpatienten – und damit auch Arzneimittelverordnungen zulasten der Kassen – „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein“ müssen und „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ dürfen. Leistungen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, dürfen Ärztinnen und Ärzte nicht veranlassen und die Krankenkassen nicht bewilligen. Für die Verordnung von Medikamenten bedeutet das: Stehen mehrere gleichartige Präparate zur Verfügung, muss der Patient in der Regel das günstigste erhalten.
Unterschiedliche Rabattverträge mit Pharma-Herstellern
Da nur die Apotheker überblicken, welche Krankenkassen mit welchen Herstellern Rabattverträge abgeschlossen haben, besagt die Aut-idem-Regel Folgendes: Der Apotheker darf das rezeptierte Medikament durch ein Rabattarzneimittel ersetzen, wenn der Arzt oder die Ärztin nicht dagegen widersprochen hat. Die Tauschoption besteht immer dann, wenn das Präparat den gleichen Wirkstoff in gleicher Stärke enthält, die Packungsgröße, Darreichungsform bzw. Anwendungsgebiete gleich oder vergleichbar sind.
Wirtschaftliches Risiko versus Compliance bei der Verordnung von Medikamenten
Gerade Patienten, die über Jahre hinweg immer die Medikamente eines bestimmten Herstellers erhalten und an das Aussehen ihrer Tabletten (und der Verpackung) gewöhnt sind, wünschen sich vielfach, auch weiterhin „ihre“ Tabletten zu bekommen. Ärztinnen und Ärzte in einer solchen Konstellation befinden sich in einem Dilemma: Setzen sie ein Aut-idem-Kreuz, um dem Patientenwunsch zu entsprechen, riskieren sie, zumindest wenn derartige Fälle häufiger vorkommen, eine Richtgrößenprüfung und einen Regress. Verweigern sie hingegen die Markierung des Aut-idem-Feldes, riskieren sie die Compliance des Patienten. Ein „fremdes“ Medikament nimmt er womöglich nicht verschreibungsgemäß ein und gefährdet so den Therapieerfolg.
Austausch des verordneten Medikaments: Aufklären und Dokumentieren
Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sollten dennoch nur in Einzelfällen den Austausch des verordneten Medikaments gegen ein Rabattarzneimittel verhindern, etwa wenn ein begründeter Verdacht auf eine Unverträglichkeit gegen spezielle Zusatzstoffe des Generikums besteht. Wichtig ist es zudem, die Gründe für das Setzen des Aut-idem-Kreuzes korrekt zu dokumentieren, um für Diskussionen mit den Prüfgremien gewappnet zu sein.
Sinnvoll kann es zudem sein, den Patienten über die Möglichkeit zu informieren, das Original-Medikament gegen Aufpreis zu erwerben: Dann allerdings muss der Betreffende in der Apotheke zunächst den vollen Preis bezahlen. Gegen Vorlage des Kassenbons erstattet die Kasse den Rabattpreis, allerdings abzüglich eines Verwaltungskostenbeitrags und eines Rabattabschlags.
Das bedeutet das Aut-idem-Kreuz
Das Ankreuzen hat Folgen auf die Medikamentenabgabe
Noch zu Beginn der 2000er-Jahre mussten Ärztinnen und Ärzte dem Austausch eines verordneten Arzneimittels ausdrücklich zustimmen — indem sie auf dem Rezept das „Aut idem“-Kreuz (oder ein anderes Zeichen) setzten. Inzwischen hat sich die Rechtslage ins Gegenteil verkehrt: Lässt der Arzt das Aut-idem-Feld leer, darf der Apotheker das verordnete Präparat durch ein wirkstoffgleiches Mittel substituieren. Nur wenn der Austausch unterbunden werden soll, muss das Aut-idem-Feld angekreuzt bzw. beim eRezept eine entsprechende Markierung gesetzt werden.