Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Einschneidende Verschärfungen in der Regulierung der investorengetragenen MVZ – das hatte Bundesgesundheitsminister Lauterbach mit seinem geplanten Gesetzentwurf vor Weihnachten angekündigt. Das Thema Private Equity im Gesundheitswesen wird seitdem einmal mehr kontrovers diskutiert. Zuletzt hat Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek noch einmal nachgelegt und will im Auftrag der Gesundheitsministerkonferenz eine entsprechende Bundesratsinitiative zur stärkeren Regulierung einbringen.

Philipp von Hammerstein ist Partner bei Gimv und verantwortlich für Investmenttätigkeiten im Gesundheitswesen im deutschsprachigen Raum. Er ist u.a. zuständig für die Investments der Medi Markt Deutschland, GPNZ-Zahnärztekette, rehaneo, MVZ-Holding Schweiz. Im Interview mit ARZT & WIRTSCHAFT erklärt er, welche Kritik er für berechtigt hält – und wo seiner Meinung nach die eigentlichen Defizite im Gesundheitswesen liegen.

Herr von Hammerstein, schon seit Längerem appellieren Bundesärztekammer und kassenzahnärztliche Bundesvereinigung an die Politik, den Zustrom von Finanzinvestoren in die ärztliche Versorgung zu unterbinden. Nun scheinen sie Gehör gefunden zu haben. Wie sehen Sie als Vertreter der Investorenseite diese Regulierungsbestrebungen?

PvH: Sicherlich bin ich der Meinung, dass die Stoßrichtung nicht die richtige ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass einige der immer wieder beschriebenen Symptome und empfundenen Störgefühle beim Thema investorengetragene MVZ eine tatsächliche Grundlage haben.

Welche der oft diskutierten Argumente gegen iMVZ können Sie nachvollziehen?

PvH: Im Kern geht es aus meiner Sicht immer wieder um vier Kritikpunkte: In einzelnen Bereichen würde zu viel Gewinn erwirtschaftet und das Gewinnstreben sei mit der Trägerschaft, insbesondere den Investoren, korreliert. Zweitens: Investoren würden „dem System“ Mittel entziehen. Zudem würde durch den steigenden Anteil von MVZ in Trägerschaft von Investoren die Qualität der Leistungserbringung sinken. Und viertens: Durch die Konsolidierung käme es zu ungewollten lokalen Marktkonzentrationen. Doch diese Punkte sind meines Erachtens unterschiedlich valide. Und eine pauschale Limitierung der Trägervoraussetzungen erscheint mir für keinen dieser Punkte der angemessene Regulierungsschritt zu sein.

Welche der Kritikpunkte sind gerechtfertigt und wie könnte Ihrer Meinung nach eine effektive Weiterentwicklung der niedergelassenen ärztlichen Versorgung aussehen?

PvH: Nehmen wir das Thema Gewinnstreben. Einzelne Bereiche in der niedergelassenen Versorgung werden sehr hoch vergütet. Das hat unterschiedliche Gründe, liegt aber oft daran, dass die Vergütung völlig veraltet ist und heute Leistungen zu geringeren Kosten erbracht werden können. Dieser Produktivitätsfortschritt wird unzureichend abgeschöpft. Dies betrifft oft – aber nicht nur – Bereiche mit hohem apparativen bzw. technischen Aufwand oder signifikantem Materialeinsatz. In diesen Bereichen sind Investoren tatsächlich besonders häufig anzufinden. Aber: Investoren investieren hier, weil die Gewinne hoch sind – nicht umgekehrt. Eine Reform des Vergütungssystems in diesen Bereichen – inkl. der GOÄ – erscheint mir der erfolgversprechendste Ansatz, um etwaige zu hohe Gewinne bzw. ungerechtfertigt hohe Ausgaben im Gesundheitssystem zu vermeiden.

Wie bewerten Sie den Vorwurf, dass iMVZ dem System Mittel entziehen würden und was entgegnen Sie den Kritikern?

PvH: Die verschiedenen Kostenträger im Gesundheitswesen bezahlen die Leistung eines niedergelassenen Arztes zu fixen und durch den einzelnen Leistungserbringer nicht verhandelbaren Konditionen. Bei gleichem Leistungsvolumen wird also völlig unabhängig von der Trägerschaft genauso viel oder wenig ins System gegeben. Daher unterscheidet sich die Realisierung von Gewinnen von Arzt und MVZ nicht wirklich.

Aus Sicht des Staates und des Gesundheitssystems sollte das Ziel sein, für eine definierte Leistung und Qualität einen wirtschaftlich angemessenen Preis zu bezahlen. Es ist also wichtig sicherzustellen, dass die Leistung angemessen – weder zu hoch noch zu niedrig – vergütet wird. Rechtsform oder Trägerschaft des Empfängers sollten für diese Fragestellung nicht relevant sein.

Lassen Sie uns auf das Thema Qualität der Leistungserbringung zu sprechen kommen. Wie bewerten Sie den Kritikpunkt, dass diese bei den iMVZ gesunken sei und was schlagen Sie vor?

PvH: Auch wenn diese Aussage von gewissen Marktteilnehmern oft getätigt wird, ist sie meines Wissens weder in Deutschland noch im Ausland wissenschaftlich belegt. Die erhobenen Leistungs-, Qualitäts- und Zufriedenheitswerte in größeren MVZ-Gruppen übersteigen das übliche Qualitätsmanagement von Einzelpraxen deutlich. Zudem ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit von medizinischem Fehlverhalten in größeren Standorten mit verschiedenen Leistungserbringern deutlich höher. Hinzukommt, dass ein medizinischer Skandal eine MVZ-Gruppe auf längere Sicht unverkäuflich macht. Investoren haben hier also ein vitales wirtschaftliches Interesse an der hohen Qualität der Leistungserbringung.

Um die Debatte zu versachlichen und das Gesundheitssystem tatsächlich zu verbessern, halte ich mehr Kontrolle und Überwachung im Gesundheitssystem für sinnvoll. Dies sollte aber unabhängig von der Trägerschaft für alle Einrichtungen gelten. So könnten der Staat und das Gesundheitssystem effektiv Über- oder Fehlversorgungen eingrenzen.

Tatsächlich wird ja oft die Frage gestellt, ob durch die iMVZ nicht zu viele Kassenarztsitze in einem Bereich bei einem Träger gebündelt werden, Stichwort Marktanteilkonzentration. Wie ist Ihre Meinung dazu?

PvH: Ich fände es richtig, über effektivere lokale Marktanteilsbegrenzungen nachzudenken. Hierbei könnte man die Expertise des Bundeskartellamtes nutzen. Entweder, um eine geeignete Regulatorik zu entwickeln, die dann im Gesundheitssystem umgesetzt werden kann, oder um dort eine geeignete Abteilung zu schaffen.

Ähnliche Fragen stellen sich bei der Integration über Sektorgrenzen hinweg, z.B. pharmazeutische Herstellbetriebe und ärztliche Leistungserbringung, und/oder verschiedene Leistungsstufen, z.B. Diagnostik und chirurgische Intervention. Diese Integration ist teilweise medizinisch sinnvoll und regulatorisch gewollt. Hier können aber auch wirtschaftliche Fehlanreize oder andere Verzerrungen entstehen. Aus meiner Sicht wäre es zweckmäßig, ähnlich dem kürzlichen Vorschlag für die Bedarfsplanung von Krankenhäusern, die fachärztlichen Kassenarztsitze inhaltlich granularer zu bezeichnen und zu planen. So könnte die Grundlage für eine spätere spezifischere Regulierung geschaffen werden.

Können Sie uns eine Einschätzung geben, wie die Ärzte selbst Ihrer Meinung nach zum Thema iMVZ stehen? Und wie lautet Ihr Fazit?

PvH: Gerade Ärzte der jüngeren Generation wollen vermehrt keine Selbstständigkeit mehr. Sie wünschen sich flexible Arbeitszeitmodelle und suchen die Arbeit in größeren Teams. Schon aus diesem Grund brauchen wir MVZs in unterschiedlicher Trägerschaft. Davon unberührt sollten Vergütungen in einzelnen Bereichen einer Überprüfung unterzogen werden. Gleichzeitig halte ich es für sinnvoll, die Qualitätsüberwachung für alle Akteure zu stärken. Um lokale Konzentrationen zu begrenzen, könnten Instrumente des Kartellrechts helfen. Generell sollte im Sinne der Verbesserung der niedergelassenen ärztlichen Versorgung die Transparenz erhöht und die Diskussion auf eine sachliche Ebene gestellt werden.

Herr von Hammerstein, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.