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Arbeitsrecht

Selten gab es mehr Verzicht als in der Corona-Krise. Zwar sind die meisten Menschen bereit, für die Gesundheit gewisse Opfer zu bringen. Bei einem Thema aber verstehen die Deutschen keinen Spaß – nämlich dann, wenn es um ihren Urlaub geht. Dementsprechend sorgen nicht nur Reisebeschränkungen regelmäßig für einen wütenden Aufschrei in der Republik. Auch Praxischefs, die ihre Belegschaft in Kurzarbeit schicken, müssen mit Unverständnis rechnen, wenn sie den Betroffenen neben dem Gehalt auch die Urlaubstage zusammenstreichen.

Unklare Rechtslage in Deutschland

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zwar bereits im Jahr 2012 entschieden, dass Unternehmen nach EU-Recht keinen Urlaub für die Zeit gewähren müssen, in denen Arbeitnehmer wegen Kurzarbeit Null keine Leistungen erbracht haben. Was die Umstellung auf Kurzarbeit Null für die Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern in Deutschland bedeutet, ist unter Juristen aber noch umstritten. Inzwischen allerdings deutet viel darauf hin, dass die deutsche Rechtsprechung auf die EuGH-Linie einschwenkt.

Gerade entschied das LAG Düsseldorf: Da die Arbeitspflicht während Kurzarbeit Null aufgehoben ist, entstehen in dieser Zeit keine Urlaubsansprüche – der Arbeitgeber darf den Jahresurlaub also anteilig zusammenstreichen (Az. 6 Sa 824/20). Im konkreten Fall ging es um eine Frau, die seit 2011 einen Teilzeitjob in der Systemgastronomie hatte. Laut Arbeitsvertrag standen ihr pro Jahr umgerechnet 14 Arbeitstage Urlaub zu. 2020 musste der Betrieb wiederholt auf Kurzarbeit Null umstellen, in den Monaten Juni, Juli und Oktober 2020 sogar durchgehend. Der Arbeitgeber gewährte der Frau für 2020 daher nur 11,5 Tage Urlaub. Da sie in den Monaten der Kurzarbeit Null nicht habe arbeiten müssen, hätte sie auch keine Urlaubsansprüche erwerben können.

Vorbild Europa
Laut EuGH verhindert Kurzarbeit Null, dass in Zeiten ohne Arbeit der europäische Mindesturlaubsanspruch
entsteht. Das lässt sich laut LAG Düsseldorf aufs deutsche Recht übertragen.

Die Arbeitnehmerin sah das anders. Sie argumentierte, die Kurzarbeit erfolge im Interesse des Arbeitgebers und nicht auf Wunsch des Arbeitnehmers. Zudem lasse sich Kurzarbeit Null nicht mit Freizeit gleichsetzen: Beschäftigte hätten während der Kurzarbeit Meldepflichten, auch könne der Arbeitgeber die Kurzarbeit kurzfristig vorzeitig beenden, sodass sich die freie Zeit nicht verplanen lasse.

Das LAG Düsseldorf folgte dem nicht und entschied zugunsten des Arbeitgebers. Dieser sei berechtigt, für jeden vollen Monat der Kurzarbeit Null den Urlaub um ein Zwölftel zu kürzen. Demnach hätte er im vorliegenden Fall den Jahresurlaub sogar um 3,5 Arbeitstage verringern dürfen.

Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zugelassen. Bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage sollten Arbeitgeber daher die anteilige Reduzierung beziehungsweise den Wegfall von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit ausdrücklich mit den betroffenen Arbeitnehmern vereinbaren.