EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Mitarbeitende können bald offiziell ihre Gehälter vergleichen
Deborah WeinbuchGleiches Geld für gleiche Arbeit ist oft noch nicht die Realität. Doch ab 2026 dürfen Beschäftigte erfahren, was die Kollegen verdienen. Bei großen Unterschieden können rechtzeitige Anpassungen Ärger vorbeugen.
Bisher konnten sich Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen mehr oder weniger darauf verlassen: Über das Gehalt spricht man nicht. Das ändert sich in Kürze. Denn die neue EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die bis spätestens Juni 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, setzt neue Standards. So sollen Mitarbeitende künftig erfahren, was Kolleginnen und Kollegen, die gleichwertige Arbeit verrichten, im Durchschnitt verdienen.
Gehälter der Mitarbeitenden müssen offen gelegt werden
Praxisinhaber müssen künftig die Gehälter ihrer Mitarbeitenden offenlegen. Beschäftigte erhalten das Recht, vorenthaltene Gehaltsdifferenzen rückwirkend einzufordern. Der Auskunftsanspruch gilt unabhängig von der Unternehmensgröße und erfasst somit auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Der bisherige Schwellenwert von 200 Beschäftigten im deutschen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) wird voraussichtlich entfallen. Betroffene von Diskriminierung können Schadenersatz fordern, während Unternehmen bei einem Gender Pay Gap von über fünf Prozent mit Bußgeldern rechnen müssen. Die Beweislast im Streitfall liegt künftig beim Arbeitgebenden. Zusätzlich müssen Gehaltsangaben während des Bewerbungsprozesses offengelegt werden.
2025 für Verbesserungen nutzen: Arbeitgeber müssen Lohnunterschiede ausgleichen
Arbeitgebende werden verpflichtet, Lohnunterschiede zu analysieren und bei Bedarf Maßnahmen zu deren Beseitigung zu ergreifen. Der Gesetzesentwurf wird voraussichtlich 2025 vorgelegt, sodass Praxen frühzeitig mit der Harmonisierung oder Verteidigung ihrer Gehaltsstrukturen beginnen können. Wichtige Fragen dabei sind:
Wie wird gleichwertige Arbeit definiert?
Wie lassen sich Frust und Neid im Team vermeiden?
Transparente und faire Gehaltsstrukturen können langfristig das Vertrauen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stärken, die Offenlegung kann aber auch Spannungen und Konflikte auslösen. Daher sollte der Fokus zunächst auf dem Abbau bestehender Lohnungleichheiten liegen. Erfolgreiche Anpassungen können anschließend positiv hervorgehoben werden.
Klar strukturierte Informationen über Entlohnungskriterien
Eine klare Kommunikation der Entlohnungskriterien trägt dazu bei, Konflikten vorzubeugen oder sie in Schach zu halten. Praxisinhaber können sich schon jetzt mit der Erstellung von Listen vorbereiten:
zu den individuellen Vergütungen und den zugrundeliegenden Kriterien,
zu den Durchschnittsgehältern nach Tätigkeitsgruppe und Geschlecht und
zu den objektiven und geschlechtsneutralen Bewertungsgrundlagen.
Das Prinzip „Wer forsch fordert, gewinnt“ könnte bald an Bedeutung verlieren und vor allem jungen Frauen mehr Gerechtigkeit bringen. Klare Kriterien stärken aber auch die Bindung von Leistungsträgerinnen, die so auf ihre Entwicklungsmöglichkeiten hinarbeiten und vertrauen können.
Lohndiskriminierung vermeiden: So geht's
Das Kern und Hauptziel der europäischen Richtlinie zur „Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen“ (EU-Entgelttransparenzrichtlinie) ist die Beseitigung des Gender Pay Gap. 2023 verdienten Männer in Deutschland durchschnittlich 25,30 Euro brutto pro Stunde, Frauen 20,84 Euro. Strukturelle Faktoren wie Arbeitszeiten erklären einen Großteil des Unterschieds. Dennoch: Der bereinigte Gender Pay Gap liegt seit Jahren bei rund sieben Prozent.