Varicella-Zoster-Virus: Der Doppelgänger
Marcus SefrinEin Virus, zwei Lebensalter-typische Erkrankungen: Zwei Drittel der Windpocken-Fälle finden sich bei Kindern unter zehn Jahren, Herpes zoster dagegen tritt gehäuft bei älteren Menschen jenseits des fünften Lebensjahrzehntes auf. Gegen beide Krankheiten und ihren Komplikationen gibt es Impfungen.
Das Varicella-zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene klinische Krankheitsbilder verursachen: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion und Herpes zoster (Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung des lebenslang in den Nervenzellkörpern verbleibenden Virus.
Diagnostik von Windpocken und Gürtelrose
Erkrankungen an Varizellen und Herpes zoster sind in der Regel durch ein typisches klinisches Bild gekennzeichnet, sodass eine spezifische Diagnostik nur in ausgewählten Fällen erforderlich ist, zum Beispiel bei Immundefizienz, ZNS-Erkrankungen, Pneumonie, Infektionen während der Schwangerschaft und des Neugeborenen. Methode der Wahl für den direkten Virusnachweis ist der VZV-Nukleinsäurenachweis mithilfe der PCR. Bei Herpes zoster kommt dem indirekten Virusnachweis über spezifische IgA-Antikörper eine hohe diagnostische Aussagekraft zu. Die Bestimmung der Avidität von Anti-VZV-IgG im Serum ermöglicht die Unterscheidung einer Primärinfektion vom endogenen Rezidiv.
Therapie von Varicellen-Erkrankungen
Bei unkomplizierten Varizellen-Erkrankungen erfolgt die Behandlung rein symptomatisch. Insbesondere bakterielle Superinfektionen der Haut können durch sorgfältige Hautpflege, zum Beispiel tägliches Baden, topische Verbände oder Gabe von juckreizlindernden Medikamenten, vermieden werden. Bei immundefizienten Erkrankten ist auch eine spezifische antivirale Behandlung zum Beispiel mit Aciclovir möglich.
Auch bei Herpes zoster ist bei immunkompetenten Patienten neben der sorgfältigen Hautpflege eine orale antivirale Therapie, zum Beispiel mit Aciclovir, indiziert. Dadurch werden die Heilung der Läsionen und das Sistieren des mit Herpes zoster assoziierten Schmerzes beschleunigt.
Bei Immungeschwächten mit Windpocken oder Herpes zoster muss Aciclovir parenteral verabreicht werden. Das gilt auch für die Behandlung von Komplikationen wie der Varizellen-Pneumonie oder des Zoster ophthalmicus. Die Therapie von Zoster-Erkrankungen bei immunsupprimierten erwachsenen Patienten sowie des Zoster ophthalmicus ist auch mit der oralen Gabe von Famciclovir möglich.
STIKO-Empfehlungen seit 2004 respektive 2018
Seit 2004 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Impfung gegen Windpocken für alle Kleinkinder. Bereits in den ersten acht Jahren nach der Empfehlung wurde ein Rückgang der Erkrankungshäufigkeit um insgesamt etwa 85 Prozent beobachtet. Seit Dezember 2018 empfiehlt die STIKO allen Personen ab 60 Jahren sowie Risikopersonen ab 50 Jahren die Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Subunit(HZ/su)-Totimpfstoff. Ohne diese Impfung erkranken 33, mit nur drei von 100 Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an Herpes zoster.
Mehr Windpocken-Fälle aufgrund fehlender Impfung
2022 verzeichnete das Robert Koch-Institut (RKI) 10.021 Fälle von Windpocken; die überwiegende Anzahl der Erkrankten war ungeimpft. Bundesländer mit den höchsten Windpocken-Impfquoten der Schuleingangsuntersuchung 2020 gehörten 2022 zu denen mit den niedrigsten Windpocken-Inzidenzen.
RKI-Ratgeber Windpocken (Varizellen), Gürtelrose (Herpes zoster)