Jeder zweite Arzt verzichtet aus Kostengründen auf Behandlungen
Marzena SickingDer aktuelle „MLP Gesundheitsreport 2016“ offenbart die Abgründe des Kostendrucks im Gesundheitswesen: Immer mehr Ärzte verzichten oder verschieben aus Budgetgründen medizinisch angeratene Behandlungen. Das fällt natürlich auch den Patienten auf.
Rund 40 Milliarden Euro zusätzlich lenkt die Politik laut Rheinisch-Westfälischem Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) bis 2020 für Mehrleistungen ins Gesundheitssystem. Das führt dazu, dass mit 40 Prozent erstmals mehr Bürger einen guten Eindruck von der Gesundheitspolitik haben als einen schlechten. Gleichzeitig beurteilen Patienten und Ärzte das heutige Gesundheitswesen insgesamt weiterhin positiv. Allerdings stellen fast zwei Drittel der Ärzte der Politik nach wie vor kein gutes Zeugnis aus.
Einschränkungen der Therapiefreiheit
Das hat gute Gründe: Fast jeder zweite Arzt (44 Prozent) gibt an, dass er zumindest in Einzelfällen aus Kostengründen auf therapeutische Maßnahmen verzichten musste (2014: 37 Prozent). Von den niedergelassenen Ärzten mussten das 21 Prozent “selten”, 15 Prozent “gelegentlich” und 4 Prozent “häufig” tun. Bei Krankenhausärzten 28 Prozent “selten”, 14 Prozent “gelegentlich” und 3 Prozent “häufig”. Lediglich 35 Prozent der Ärzte sehen trotz dieser Einschränkungen ihre Therapiefreiheit nicht in Frage gestellt (2014: 22 Prozent).
Kostendruck im Gesundheitswesen
Der Kostendruck im Gesundheitswesen wird auch von der Bevölkerung wahrgenommen: Bereits 40 Prozent (2012: 31 Prozent) hatten schon das Gefühl, dass ihnen aus Kostengründen eine Behandlung oder ein Medikament vorenthalten wurde. Insbesondere gesetzlich Versicherte geben dies an (42 Prozent). Deutlich gestiegen ist der Anteil der Bürger, die mehrmals beim Arzt eine Behandlung oder ein Medikament selbst bezahlen mussten (32 Prozent; 2012: 21 Prozent).
Mit einer Zwei-Klassen-Medizin rechnen laut dem Gesundheitsreport für die kommenden Jahre sowohl Ärzte (70 Prozent) als auch Bürger (67 Prozent). Die Bevölkerung erwartet vor allem steigende Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (81 Prozent) und befürchtet, dass verstärkt Kosten der medizinischen Versorgung selbst zu tragen sind (72 Prozent).
Für die repräsentative Umfrage wurden 1.920 Bundesbürger und mehr als 500 Ärzte befragt. Die kompletten Ergebnisse finden Sie auf: www.mlp-gesundheitsreport.de.