Kindheitstraumata von Müttern beeinflussen Kindergesundheit
Constanze PolenzKindesmisshandlung kann generationenübergreifende schwerwiegende Gesundheitsprobleme verursachen. Kinder, deren Mütter frühe Traumata erlitten, haben einer Charité-Studie zufolge ein höheres Risiko, an Asthma, ADHS, Autismus oder Depressionen zu erkranken.
Seelische und körperliche Gewalterfahrungen oder Vernachlässigung in der Kindheit haben häufig schwerwiegende Auswirkungen auf das gesamte spätere Leben der betroffenen Personen. Ihr Risiko, an psychischen oder physischen Gesundheitsproblemen zu erkranken, erhöht sich dadurch. Aber nicht nur die Betroffenen selbst sind gefährdet, sondern auch die nachfolgende Generation. Das hat ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Claudia Buß vom Institut für Medizinische Psychologie der Charité in Berlin herausgefunden.
Die Studie, die in der Fachzeitschrift „The Lancet Public Health“ veröffentlicht wurde, untersuchte Daten von 4.337 amerikanischen Müttern und ihren Kindern aus 21 Langzeitkohorten. Die Wissenschaftler werteten die Erfahrungen aus, die Mütter in ihrer eigenen Kindheit gemacht hatten (44 Prozent hatten Misshandlungen erlebt), und untersuchten dann die Diagnosen ihrer biologischen Kinder bis zum Alter von 18 Jahren.
Risiko für Asthma und weitere Erkrankungen erhöht
Dabei fanden sie heraus, dass Kinder von Müttern, die in ihrer eigenen frühen Kindheit Misshandlungen erlebt hatten, ein um 54 bis 70 Prozent höheres Risiko aufwiesen, an Asthma, ADHS, Autismus, Depressionen und Angststörungen zu erkranken, als Kinder, deren Mütter keine Traumata in der Kindheit erlebt hatten. Außerdem hatten Töchter der betroffenen Mütter ein höheres Risiko, Adipositas zu entwickeln. Je schlimmer die Misshandlungen der Mütter waren, desto höher war das Gesundheitsrisiko für die Kinder.
Diese Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Mütter dieselben Diagnosen erhalten hatten, was gegen eine genetische Übertragung des jeweiligen Krankheitsrisikos spricht.
Stresshormone als mögliche Ursache
Die Mechanismen, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen, sind noch nicht vollständig geklärt. Aktuell arbeitet das Forschungsteam daran, diese zu identifizieren. Biologische Veränderungen, zum Beispiel der Stressachse, die durch die Misshandlungen verursacht wurden, könnten dafür verantwortlich sein. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie die Schwangerschaft und die Entwicklung des Fötus beeinflussen.
Bei Müttern, die an einer psychischen Erkrankung infolge der Traumata leiden, sind diese biologischen Veränderungen stärker ausgeprägt. Diese Erkrankungen gehen normalerweise mit einer Veränderung des sozialen Verhaltens einher. Das zeigt sich auch im Umgang der Mütter mit ihren Kindern und trägt wahrscheinlich ebenfalls zu den generationenübergreifenden Auswirkungen bei.
Müttern frühzeitig Hilfen anbieten
„Ich gehe davon aus, dass eine angemessene Unterstützung der belasteten Mütter, ihre Gesundheit sowie die ihrer Kinder positiv beeinflussen kann. Dafür ist es sehr wichtig, dass wir betroffene Mütter und Kinder frühzeitig identifizieren“, betont Prof. Dr. Buß.
Die Forschenden empfehlen, Mütter schon während der Schwangerschaft oder bei kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen zu traumatischen Kindheitserfahrungen zu befragen und entsprechende Unterstützung anzubieten. Mütter, die in der Lage sind, ihre eigenen belastenden Kindheitserfahrungen zu verarbeiten und zu bewältigen, können ihre Kinder besser unterstützen und dadurch möglicherweise negative Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer Kinder verringern.
Quellen:
https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(23)00025-7/fulltext