Helfen Schlafmittel gegen Alzheimer?
Constanze PolenzIn einer kleinen US-amerikanischen Studie reduzierte die zweimalige Gabe von Suvorexant, einem Orexin-Rezeptorantagonisten, den Gehalt von Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen im Liquor.
Weltweit nimmt die Zahl von Demenzerkrankungen stetig zu. In Deutschland leiden rund 1,8 Millionen Menschen daran. Dabei ist Morbus Alzheimer die häufigste Demenzform. Bisher ist die Ätiologie dieser Erkrankung, die mit einer Atrophie der Hirnrinde einhergeht, noch nicht vollständig entschlüsselt. Histopathologisch lassen sich bei Alzheimer-Patienten Amyloid Plaques und Tau Fibrillen im Gehirn nachweisen. Inwieweit diese Veränderungen krankheitsauslösend sind, ist noch nicht bekannt. Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten an der Erforschung von Möglichkeiten, um Alzheimer vorzubeugen und zu therapieren.
Schlafprobleme können Alzheimer vorangehen
Ein- und Durchschlafstörungen können Vorboten einer Demenzerkrankung sein. Lange, bevor sich erste kognitive Beeinträchtigungen zeigen, leiden viele Alzheimerpatienten an Schlafproblemen. Mit Fortschreiten der Erkrankung nehmen die Schlafstörungen zu.
Ein Forscherteam um Prof. Brendan Lucey von der Washington University School of Medicine in St. Louis hat in einer kleinen Studie die Wirkung des Orexin-Rezeptorantagonisten Suvorexant auf Amyloid und Tau Proteine untersucht. Orexine sind Neuropeptide, die Hunger auslösen und Wachheit fördern. Orexin-Rezeptorantagonisten verhindern die Bindung der Orexine an ihre Rezeptoren und haben dadurch einen sedierenden Effekt. In Deutschland steht seit Ende 2022 der Orexin-Rezeptorantagonist Daridorexant (Handelsname Quviviq) zur Behandlung von Insomnien zur Verfügung. Suvorexant ist bei uns noch nicht zugelassen.
Für ihre Studie rekrutierten die Wissenschaftler 38 Probanden im Alter von 45 bis 65 Jahren, die keine kognitiven Beeinträchtigungen aufwiesen. Sie ordneten die Teilnehmer randomisiert drei Gruppen zu. Die eine Gruppe erhielt an zwei Abenden je 10 mg Suvorexant, die andere Gruppe erhielt an zwei Abenden je 20 mg Suvorexant und die dritte Gruppe erhielt an beiden Abenden ein Placebo.
Die Forscher untersuchten die Veränderungen der Amyloid und Tau Werte in einem Zeitraum von 36 Stunden. Dazu entnahmen sie den Probanden mittels Katheter im Zwei-Stunden-Takt etwas Liquor. Sie starteten die Messungen eine Stunde vor der ersten Suvorexant- oder Placebo-Einnahme.
Niedrigere Amyloid- und Tauspiegel nach Suvorexant 20 mg
In der Gruppe, die die höhere Suvorexant Dosis (20 mg) erhalten hatte, sanken die Amyloidspiegel im Liquor statistisch signifikant um 10 bis 20 Prozent und die Spiegel des hyperphosphorylierten Taus um 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu den Teilnehmern der Placebogruppe. Zwischen den Teilnehmern, die die niedrige Suvorexant Dosis und denen, die Placebos erhalten hatten, gab es keine signifikanten Unterschiede.
Da diese Studie nur einen kurzen Zeitraum und wenig Teilnehmer umfasste, sind weitergehende, länger dauernde Studien nötig, um die Auswirkungen von Orexin-Rezeptorantagonisten umfassend beurteilen zu können. Das Team um Prof. Lucey hat damit schon begonnen. In Zukunft wollen sie sowohl Menschen untersuchen, die älter als die Teilnehmer dieser Studie sind, als auch Menschen, die bereits Amyloid-Plaques in ihrem Gehirn aufweisen.
„Ich bin zuversichtlich, dass wir irgendwann Medikamente entwickeln werden, die den Zusammenhang zwischen Schlaf und Alzheimer ausnutzen, um kognitiven Verfall zu verhindern“, so Lucey. „Wir sind noch nicht ganz da. An dieser Stelle kann ich Ihnen am besten raten, möglichst gut zu schlafen, und wenn nicht, gehen Sie zu einem Schlafspezialisten und lassen Sie Ihre Schlafprobleme behandeln.“
Quellen: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ana.26641
https://medicine.wustl.edu/news/sleeping-pill-reduces-levels-of-alzheimers-proteins/