Blut-Hirn-Schranke: Inhalationsanästhetika öffnen Pforten für Medikamente
Dr. Melanie SöchtigDer Medikamententransport über die Blut-Hirn-Schranke ist eine Herausforderung bei der Behandlung von Erkrankungen des Nervensystems. Forschende haben jetzt herausgefunden, dass Anästhetika die Durchlässigkeit der Barriere erhöhen und so beispielsweise die Chemotherapie von Hirntumoren erleichtern könnten.
Endothelzellen kleiden die Innenwand der zerebralen Blutgefäße aus und sind eng über spezielle Zellkontakte (Tight junctions) miteinander verbunden. Dadurch gewährleisten sie die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke. Zusammen mit anderen Zelltypen regulieren sie den Stoffaustausch im Gehirn. So stellen sie sicher, dass genügend Nährstoffe zu den Nervenzellen gelangen und potenziell schädliche Fremdstoffe ferngehalten werden.
Strenge Zugangskontrolle erschwert Behandlung
Dieser natürliche Schutzmechanismus behindert jedoch auch den Transport von Medikamenten ins zentrale Nervensystem. Dies ist insbesondere bei der Behandlung von Hirntumoren wie Glioblastomen problematisch. Die schlechte Zugänglichkeit des Wirkorts für Chemotherapeutika ist in Kombination mit dem hochinvasiven Tumorwachstum ausschlaggebend für die schlechte Prognose der tödlichen Krankheit.
Ein Forschungsteam um Dr. Gesine Saher vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften hat jetzt einen Lösungsansatz für dieses Problem gefunden. In einer aktuellen Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersucht, ob sich der Medikamententransport ins Gehirn mithilfe von Isofluran verbessern lässt.
Anästhetikum verbessert Wirksamkeit der Chemotherapie
Wie andere Inhalationsanästhetika auch, kann Isofluran selbst die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Ferner macht es die Barriere aber auch durchlässiger für andere Substanzen, wie die Forschenden im Tierexperiment feststellten. Bei Mäusen mit Glioblastom verbesserte die gleichzeitige Gabe von Isofluran die Wirksamkeit einer Chemotherapie.
Der Effekt von Isofluran hing dabei von der Konzentration und der Dauer der Anästhesie ab. So rief eine hohe Dosis über längere Zeit Ödeme bei den Tieren hervor. Verabreichten die Forschenden den Mäusen Isofluran jedoch in Maßen, regenerierte sich die Blut-Hirn-Schranke unmittelbar nach Beendigung der Anästhesie.
Zugrunde liegender Mechanismus entschlüsselt
Mithilfe hochauflösender Mikroskopie ist es den Studienautorinnen und -autoren gelungen, den zugrunde liegenden Mechanismus aufzuklären. Sie konnten nachweisen, dass Isofluran bestimmte lipidreiche Membrandomänen (Lipid rafts) von Endothelzellen verändert. Ein wichtiger Bestandteil von Lipid rafts ist das membranständige Protein Caveolin, welches unter anderem am Stofftransport vom Blut ins Gewebe beteiligt ist.
An gentechnisch veränderten Mäusen, die kein Caveolin exprimierten, bestätigten die Forschenden, dass Isofluran in diesen Transportprozess eingreift. Im Gegensatz zu Wildtyp-Mäusen erhöhte Isofluran bei den gentechnisch veränderten Tieren die Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke nicht.