Prävention: So lässt sich die Kognition besser bewahren
Marcus SefrinDie modifizierbaren Risikofaktoren einer Demenz können auf individueller Ebene angegangen werden. Unterstützt man dies mit Maßnahmen auf Bevölkerungsebene, könnte der Effekt breiter und nachhaltiger sein.
Demenz ist eine moderne Geißel der Menschheit, sie betrifft weltweit 57 Millionen Menschen – und bis 2050 wird die Prävalenz nach Berechnungen auf Basis der Global-Burden-of-Disease-Studie auf mehr als 150 Millionen Menschen ansteigen. Hauptgründe dafür sind Bevölkerungswachstum und -alterung. Die Erkrankung ist dabei nicht immer ein unausweichlicher Schicksalsschlag, es gibt beeinflussbare Risikofaktoren. 2017 hat eine von der Fachzeitschrift Lancet einberufene Kommission neun solcher potenziellen Hebel für die Demenz-Vermeidung evidenzbasiert identifiziert, in einem Update 2020 fügten die Experten drei weitere hinzu. Die Liste umfasst:
Diabetes
Adipositas
Depression
Hypertonie
Hörverlust
Niedriges Bildungsniveau
Soziale Isolation
Körperliche Inaktivität
Übermäßiger Alkoholkonsum
Schädel-Hirn-Trauma
Eine Anpassung dieser zwölf modifizierbaren Risikofaktoren könnte bis zu 40 Prozent der Demenz-Fälle verhindern oder verzögern, so die Autoren.
Die Lancet Commission hat diese Risikofaktoren auch nach den Lebensphasen angeordnet, in denen sie für die Prävention einer Demenz eine Rolle spielen. „Es ist niemals zu früh und niemals zu spät für Demenz-Prävention“, leiten die Autoren daraus ab. Bessere Bildung in jungen Jahren könnte zum Beispiel alleine weltweit sieben Prozent der Demenz-Fälle verhindern, die Versorgung von Hörschäden zum Beispiel mit Hörhilfen in mittleren Jahren um acht Prozent und ein Rauchstopp selbst spät im Leben noch um fünf Prozent. Als einzige Medikation, von der eine demenzpräventive Wirkung belegt ist, nennt der Bericht Antihypertensiva – ab ungefähr einem Alter von 40 Jahren sollte ein systolischer Blutdruck von höchstens 130 mmHg angestrebt werden.
Fundierte Sammlung populationsbasierter Ansätze
Zum einen bietet die Kenntnis dieser Risikofaktoren also die Möglichkeit einer patientenindividuellen, auf das jeweilige Lebensalter angepassten Demenz-Prävention. Schon das Update der Lancet Commission von 2020 betonte aber auch die Notwendigkeit von bevölkerungsbasierten Ansätzen, um diese Risikofaktoren zu beeinflussen. In einem aktuellen Review hat eine Gruppe britischer Experten dazu 26 evidenzbasierte Empfehlungen mit hoher oder moderater Konfidenz für die politische Ebene erarbeitet, die zu einer Reduktion des Demenz-Risikos beitragen könnten. Die Autoren haben dabei für Entscheidungsträger ein Komplettpaket geschnürt: Sie führen neben den Interventionen und der Evidenz auch Informationen zum Zusammenhang, zur erwarteten Effektstärke und einen Leitfaden für die Umsetzung auf. In einem Rahmenplan stellen sie zu neun der zwölf Risikofaktoren Interventionen aus den Bereichen Finanzen, Werbung und Verfügbarkeit sowie gesetzliche Regeln vor. Beispiele sind Vorgaben zur Neuformulierung von Nahrungsmittel-Rezepturen mit dem Ziel der Salz- und Zuckerreduktion, Preis- und Steuervorgaben für Alkohol und Tabakprodukte oder für die Städteplanung mit dem Ziel kompakter, geh- und fahrradfreundlicher Nachbarschaften. Zu den bedeutsamen Faktoren Depression und soziale Vereinsamung fanden die Autoren zwar interessante populationsbasierte Ansätze, aber noch nicht genug Evidenz.
Gute Nacht, Demenz
Schlafstörungen stehen in Verdacht, ein weiterer Risikofaktor für Demenz zu sein. Für die Aufnahme in die Liste der Lancet Commission reicht die Evidenz derzeit aber noch nicht.