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Allgemeinmedizin

Nach einem Schlaganfall können sprachliche und Sprechfunktionen beeinträchtigt sein. Auftreten können Aphasien, Dysarthrien und Sprechapraxie, isoliert und häufig in Kombination. Sind bei einer Sprachstörung die kognitiven Prozesse wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Denken beeinträchtigt, spricht man von kognitiver Dysphasie. Die Auswirkungen dieser Defizite gehen über die Kommunikation hinaus, sie betrifft auch die psychosoziale Funktionsfähigkeit: Die Betroffenen verlieren ihr Selbstvertrauen und laufen Gefahr, in soziale Isolation zu geraten. Wohlbefinden und die Lebensqualität sind dadurch eingeschränkt.

In allen Domänen dieser Funktionsbeeinträchtigungen kommt Logopädie (Sprachtherapie) zum Einsatz. Die Unterscheidung zwischen ihnen ist wichtig, da sie Auswirkungen auf die Behandlungsansätze hat. Eine genaue Diagnosestellung durch Logopäden oder Neuropsychologen ist entscheidend, um die geeignete Therapie anzuleiten und den Patienten bestmöglich zu unterstützen. Das übergeordnete Therapieziel besteht darin, eine flüssigere und verständlichere Kommunikation zu ermöglichen und somit die Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der Betroffenen zu steigern.

Drei Defizite, eine Folge: Kommunikation und psychosoziale Funktion gestört

Im Vordergrund der Aphasie stehen Wortfindungsstörungen, wobei benötigte Wörter zeitverzögert oder gar nicht gefunden werden. Von einer Aphasie können jedoch auch das Sprachverständnis, das Lesen und das Schreiben betroffen sein. Nach Angaben des Deutschen Bundesverbands für Logopädie erleiden pro Jahr schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland eine durch Schlaganfall bedingte Aphasie; bei mehr als einem Drittel der Betroffenen bildet sich die Aphasie nicht vollständig zurück.

Die Dysarthrie ist eine neurologisch bedingte Sprechstörung, bei der die Verständlichkeit beeinträchtigt ist aufgrund geschwächter, ungenauer, verlangsamter oder unkoordinierter motorischer Kontrolle der Sprechmuskulatur. Es können die Funktionskreise Atmung, Stimmgebung und orale oder velopharyngeale Artikulation betroffen sein. Das Sprechen ist weniger verständlich, zum Beispiel durch verwaschenes Sprechen oder starke Hypernasalität, und klingt weniger natürlich, weil es beispielsweise sehr leise, monoton oder verlangsamt ist, auch Silbenverkürzungen können damit einhergehen. Dies führt dazu, dass Gespräche deutlich erschwert werden.

Bei einer Sprechapraxie ist die motorische Planung oder Programmierung der Sprechbewegungen gestört. Dadurch können einzelne Laute nicht sicher produziert werden. Es kommt zu Lautentstellungen und kategorialen Lautfehlern, zum Beispiel Vertauschungen. Die Patienten sprechen oft mit artikulatorischem Suchverhalten, langsam, eher monoton oder teilweise silbisch. Eine Sprechapraxie verändert die Natürlichkeit des Sprechens und reduziert die Verständlichkeit der Sprache.

Hoch- und niederfrequente Sprachtherapie

Bei Aphasie ist gut belegt, dass unabhängig vom Schweregrad und der Zeitdauer ihrer Erkrankung eine hochfrequent durchgeführte Sprachtherapie zu signifikant größeren sprachlichen Fortschritten führt als durch Spontanremission allein zu erwarten wäre. Wenn die hochfrequente Therapie mindestens zehn Stunden pro Woche umfasst, können signifikante Verbesserungen in drei Wochen erreicht werden, besteht das Therapievolumen aus fünf bis zehn Stunden pro Woche, sollte die Therapie für sechs bis acht Wochen erfolgen. Im Anschluss daran scheint ein niederfrequentes Therapieintervall günstig zu sein, in der frühen post-Akutphase bis zum vierten Monat nach Krankheitsbeginn mit mindestens drei Therapien pro Woche, ab der späten post-Akutphase mindestens zwei Mal pro Woche. Um zu entscheiden, ob mithilfe des regelmäßigen Wechsels zwischen hoch- und niederfrequenter Therapie sprachliche Fortschritte erreicht werden, sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen mit validen Messinstrumenten erforderlich.

Logopädische Übungsbehandlungen sind auch eine Säule in der Dysarthrie-Therapie. Das Sprechen soll hierbei bei Bedarf durch den Einsatz von elektronischen und nicht elektronischen (prothetischen) Hilfsmitteln unterstützt werden. Neben der Unterstützung der Rückbildung sprechmotorischer Defizite durch intensives „motorisches Training“ geht es hierbei auch um die Vermittlung von Kompensationsstrategien wie der Verringerung des Sprechtempos oder die bewusstere Kontrolle der Artikulation bei Patienten mit chronischen oder progredienten Defiziten. Allerdings stehen Wirksamkeitsbelege durch adäquate randomisierte kontrollierte Studien ausreichender Fallzahl bei Dysarthrien im Gefolge eines Schlaganfalls bislang noch aus.

Logopädische Maßnahmen sowie der Umgang mit Kommunikationshilfen setzen jedoch ein gewisses Mindestmaß an kognitiven Fähigkeiten und Kooperationsbereitschaft voraus.

Quelle:

S3-Leitlinie Schlaganfall, 2020; AWMF-Register-Nr. 053-011

S1-Leitlinie Neurogene Sprechstörungen (Dysarthrien), 2018; AWMF-Register-Nr. 030/103