Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Allgemeinmedizin

Die Menschen werden immer älter, weshalb in Europa seit dem Jahr 1990 die Sterberate und die Krankheitslast aufgrund von Stürzen stetig gestiegen ist. Nach Meinung internationaler geriatrischer Expertinnen und Experten könnten viele Stürze und damit sturzbedingte Verletzungen verhindert werden. Deshalb haben sie im Jahr 2022 eine Reihe von evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen in der ersten globalen Leitlinie für Sturzprävention und -management bei älteren Menschen zusammengestellt.

Regelmäßige Sturzberatung bei älteren Patienten

Die internationale Expertengruppe legt Hausärztinnen und Hausärzten ans Herz, alle älteren Erwachsenen umfangreich zur Sturzprävention und zur körperlichen Aktivität zu beraten. Dazu gehöre es, die über
65-Jährigen mindestens einmal im Jahr nach Stürzen und Sturzrisiken zu befragen; drei Kernfragen empfiehlt hierzu die Leitlinie:

  • Sind Sie in den vergangenen zwölf Monaten gestürzt?

  • Fühlen Sie sich unsicher beim Stehen oder Laufen?

  • Haben sie Angst hinzufallen?

Wird eine der Fragen bejaht, sollte die Balance getestet beziehungsweise eine Ganganalyse durchgeführt werden: Liegt das Schritttempo unter 0,8 Meter pro Sekunde, steige das Sturzrisiko, heißt es in der Leitlinie. 

Gezielte Trainingsprogramme für Senioren

Die Betroffenen sollten gezielte Physiotherapie sowie Übungsprogramme zur Stärkung von Balance und Muskelkraft durchlaufen, um ihr Sturzrisiko zu senken. Insbesondere Menschen mit Demenz oder Parkinson sollten unbedingt Zugang zu systematischen Trainingsprogrammen erhalten, erklärt Prof. Clemens Becker, Sturzexperte der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und Mitautor der Leitlinie. Ebenso sollten Betagte in Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheimen auf ihren Gesundheitszustand angepasste Vorsorgemaßnahmen erhalten.

Multifaktorielles Risiko-Assessment

„Personen mit hohem Risiko sollte eine umfassende multifaktorielle Bewertung angeboten werden, um eine personalisierte und fachübergreifende medizinische Behandlung zu gewährleisten“, fordert Becker in einer DGG-Meldung. 

Neu ist, dass jede ältere Person mit Gebrechlichkeitserscheinungen oder Schwierigkeiten, selbstständig aufzustehen, tiefgehend untersucht werden sollte, auch wenn keine Verletzungen erkennbar sind. „Bisher wurden die Menschen nur bei Verletzungen oder wiederholten Stürzen umfassender untersucht“, klärt Becker auf. Nach drei bis sechs Monaten sollte der Zustand der Betroffenen erneut in der Hausarztpraxis überprüft werden, mahnt Becker.

Eine Vitamin-D-Supplementierung als Sturzprophylaxe sollten laut Leitlinie nur diejenigen mit einem Risiko für einen Vitamin-D-Mangel erhalten.

Globale Sturzleitlinie bei Älteren

Die „World guidelines for falls prevention and management for older adults: a global initiative“ sind online frei zugänglich unter: www.academic.oup.com/ageing/article/51/9/afac205/6730755. Darin findet sich unter anderem ein ­Algorithmus zur Stratifizierung des Sturzrisikos und zum Sturzmanagement.