Einbruch bei Behandlungsfallzahlen: Ärzte können Verluste nicht kompensieren
Marzena SickingWährend der ersten Pandemiewelle mussten niedergelassene Ärzte und Ärztinnen einen deutlichen Rückgang der ambulanten Behandlungsfälle verzeichnen. Die erhofften Nachholeffekte blieben im dritten Quartal 2020 aus. Das belegt der aktuelle Trendreport des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur Entwicklung der vertragsärztlichen Leistungen.
Nach Einbruch der Behandlungsfallzahlen zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 zeichnete sich demnach Ende Mai eine Erholung in den Arztpraxen ab. Die Zahlen im Juni ließen erste Nachholeffekte vermuten. Wie die aktuelle Auswertung des Zi für Q3/2020 zeigt, hat sich die Hoffnung, die Verluste in der zweiten Jahreshälfte zu kompensieren, aber nicht erfüllt, wie der aktuelle Zi-Trendreport zeigt.
Wirtschaftliche Erholung der Arztpraxen in Q3 blieb aus
Die vor allem im zweiten Quartal eingebrochene Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen hat sich zwar im Sommer weitgehend normalisiert, Nachholeffekte sind im dritten Quartal 2020 allerdings weitgehend ausgeblieben. So lagen die Gesamtfallzahlen der in den Praxen behandelten Patienten während der ersten Pandemiewelle um 23 (1. bis 28. April) bzw. 15 Prozent (29. April bis 26. Mai 2020) unter denen des Vorjahreszeitraums. Und auch im dritten Quartal blieben die Werte im Mittel um 0,3 Prozent unter dem Vorjahr.
Pädiater besonders vom Patientenrückgang betroffen
Die stärksten Rückgänge sind dabei für Fälle mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt in der kinderärztlichen und fachärztlichen Versorgung zu verzeichnen. Hier war der Einbruch mit 34 bzw. 26 Prozent im Zeitraum vom 1. bis 28. April 2020 im Vergleich zum Vorjahr besonders deutlich. Vom 26. August bis 30. September 2020 liegt die Gesamtfallzahl mit 0,6 bzw. 1,5 Prozent nur unwesentlich über den Werten des Vorjahreszeitraums. Auch Vorsorgeuntersuchungen im fachärztlichen Bereich, wie Hautkrebs- oder Mammographie-Screening, sind von März bis Mai um bis zu 97 Prozent eingebrochen.
Im gleichen Zeitraum nahmen die hausärztlich betreuten Fälle lediglich um 0,3 Prozent zu, die psychotherapeutischen Fälle sogar um 0,8 Prozent ab. „Die COVID-19-Pandemie hat tiefe Spuren in der vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung hinterlassen“, so der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried.
SARS-CoV-2-Verdachtsfälle in Arztpraxen
Im Zeitraum vom 1. Februar bis 30. September 2020 gab es insgesamt rund 9,4 Millionen Behandlungsanlässe wegen des klinischen Verdachts oder des Nachweises einer SARS-CoV-2-Infektion. Dabei sind in dieser Zeit rund 4,5 Millionen PCR-Tests auf SARS-CoV-2 vertragsärztlich abgerechnet worden. Vom 15. Juni bis 30. September 2020 gingen über 37.000 Behandlungsanlässe auf eine Warnung durch die Corona-Warn-App zurück. Bei rund 70 Prozent dieser Behandlungsanlässe wurde im Anschluss daran ein PCR-Test vorgenommen.
Mehr Videosprechstunden seit Corona
Gestiegen sind die Fälle mit telefonischer Beratung und Kontakte per Videosprechstunde: So sind im Zeitraum vom 4. März bis zum 30. September 2020 insgesamt 4,5 Millionen ausschließlich telefonische Beratungen (ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt) abgerechnet worden. Das sind fast 2 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kamen im zweiten Quartal weitere 450.000 Stunden für telefonische Beratung, die über die im zweiten Quartal 2020 zeitweise in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) eingeführten Zuschläge vergütet wurden. Bei den Videosprechstunden setzt sich der Anfang März 2020 beginnende Zuwachs an Behandlungsfällen im Verlauf von April bis September weiter fort. So sind im Zeitraum vom 4. März bis zum 30. September 2020 insgesamt fast 1,7 Millionen Videosprechstunden vorgenommen worden. Im Vorjahreszeitraum lag diese Zahl bei wenigen tausend. Die Häufigkeit der telefonischen Beratung und der Videosprechstunde folgt dem Pandemieverlauf und nimmt im zweiten Quartal wieder ab. Bei den Videosprechstunden steigen die Fallzahlen dann ab September erneut an.
Die Entwicklung der Psychotherapie-Fallzahlen stellt sich erwartungsgemäß bei den Einzeltherapien anders dar als bei den Gruppentherapien. Während bei den Einzeltherapien der stärkste Rückgang in der Woche vom 18. März bis 24. März zu beobachten ist und sich die Fallzahlen bereits ab Ende Mai wieder dem Vorjahreswert annähern, brechen die Fallzahlen bei den Gruppentherapien bis Ende April zunehmend ein (-60 Prozent in den ersten vier Aprilwochen) und erreichen erst Ende Juli wieder das Vorjahresniveau.
Deutlicher Anstieg bei Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken
Sprunghaft gestiegenen sind zudem die Impfzahlen in den vertragsärztlichen Praxen: So sind in den ersten drei Quartalen 3,5 Millionen Pneumokokken- und Influenza-Impfungen mehr vorgenommen worden als im Vorjahreszeitraum. Davon waren allein im September 1,8 Millionen zusätzliche Influenza-Impfungen. Das entspricht einem Plus von 165 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dazu Dr. Dominik von Stillfried: „Der deutliche Anstieg von Behandlungsfällen mit Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken im März 2020 zeigt, dass die Vertragsärztinnen und -ärzte schnell auf die krisenhafte Situation reagiert und die Empfehlungen zum Schutz der Patienten zügig umgesetzt haben.”