Nachlass: Hilfe, ich habe geerbt – was ist jetzt zu tun?
A&W RedaktionErben – das klingt nach künftiger Sorgenfreiheit und Luxusleben, aber die Realität sieht da oft erst einmal ganz anders aus. Gerade wer überraschend bedacht wurde, sollte das Durchwühlen von Dokumenten und Kontoauszügen nicht auf die lange Bank schieben.
Aus heiterem Himmel reich werden durch eine Erbschaft? Das ist definitiv nicht der Normalfall. Die meisten Erbschaften liegen eher im niedrigeren fünfstelligen Bereich. Bei so manchem Bedachten kommt kaum etwas oder sogar nur Schulden an (s. Grafik).
Erben dürfen sich aber unabhängig von der Höhe des Nachlasses auf jeden Fall um einen großen Berg Papierkram kümmern. „Grundsätzlich gilt die sogenannte Fußstapfentheorie, Erben treten für Alles die Nachfolge des Verstorbenen an, das gilt für Vermögenswerte genauso wie Verbindlichkeiten und die meisten anderen Verpflichtungen“, erklärt Carolin Vogel, Fachanwältin für Steuerrecht bei der Münchner Kanzlei CHP im Interview. Das heißt zum Beispiel auch, dass von den Erben noch die letzte Steuererklärung eingereicht werden muss und auch daraus entstehende Steuerschulden bezahlt werden müssen. Gerade wer überraschend Erbe wird, sollte sich nicht nur deswegen schnell überlegen, ob er das wirklich sein will.
Nur wenige erben viel, manche nur Schulden
Bei mehr als der Hälfte der Erbschaften liegt das Volumen unter 75.000 Euro. Nur bei einem von 50 Erbfällen wird mehr als ein Million Euro übertragen. In 13 Prozent der Fälle ist das Erbe finanziell betrachtet nichts wert oder besteht sogar nur aus Schulden, in diesen Situationen kann es vorteilhaft sein, über eine Ausschlagung innerhalb der sechswöchigen Frist nachzudenken.
Was tun, wenn man die Erbschaft gar nicht will?
Sobald jemand von einer Erbschaft erfährt, hat derjenige nach deutschem Recht sechs Wochen lang Zeit, komplett darauf zu verzichten. Tut er in der Zeit gar nichts, gilt das Erbe automatisch als angenommen. Eine Ausschlagung muss entweder persönlich beim zuständigen Amtsgericht erklärt oder mit einem vom Notar beglaubigten Dokument erwirkt werden. Wichtig zu wissen: Es gibt keine Rosinenpickerei, es gilt Alles oder Nichts. Das heißt, es ist nicht möglich, zum Beispiel ein Aktiendepot zu nehmen, aber auf das sanierungsbedürftige und verschuldete Haus zu verzichten.
Deswegen ist es wichtig, sich möglichst bald durch sämtliche Dokumente des Erblassers zu kämpfen und auch mit Banken und Versicherungen den aktuellen Stand zu klären. Denn die Frist zur Ausschlagung kann grundsätzlich nicht verlängert werden. „Im Einzelfall ist es oft gar nicht so leicht, Auskunft zu bekommen, denn viele Banken geben zum Beispiel ohne einen vom Nachlassgericht erteilten Erbschein keine Informationen heraus“, weiß CHP-Expertin Carolin Vogel. Wird der jedoch beantragt, kann das als Annahme des Erbes gewertet werden. Wenn es so etwas denn gibt, kann alternativ ein notarielles Testament vorgelegt werden, dass einen als Erben ausweist. Bei privat verfassten handschriftlichen Testamenten kann das auch funktionieren, wenn nachgewiesen werden kann, dass dazu bei Gericht bereits ein Verfahren eröffnet wurde. „Noch besser wäre es aber, wenn der Erblasser seinen künftigen Erben bereits zu Lebzeiten über die Erbmasse informiert“, rät die Fachanwältin. Auch wenn es nicht der Regelfall ist, so mancher kann sich doch im Erbfall über einen erheblichen Vermögenszuwachs freuen, aber auch hier gilt es nicht zu lange abzuwarten.
Das Erbe strategisch gut anlegen
„Vermögen muss bewirtschaftet werden, so wie der Bauer seinen Acker bewirtschaftet, um Erträge zu erzielen“, sagt Andreas Glogger, Geschäftsführer und Inhaber bei der GLOGGER & PARTNER Vermögensverwaltung GmbH mit Standorten in Krumbach und Stuttgart. Wer Werte erhalten will, sollte nach Abzug von Kapitalertragssteuer und Inflation eine reale Rendite erwirtschaften. Dazu braucht es eine gute Strategie, um Chancen zu nutzen und Risiken zu minimieren. Um die individuell passend nach einer Erbschaft entwickeln zu können, muss jedoch erstmal wirklich alles auf den Tisch.
Zu einer klaren Vermögensübersicht gehören die bisher erworbenen Rentenansprüche genauso wie bestehende Versicherungen, Zahlungsverpflichtungen oder die Familienplanung vom Kinderwunsch bis zur eigenen Erbschaftsoptimierung. Danach lässt sich entscheiden „was soll mit welchem Vermögensgegenstand erzielt werden und welche Renditeerwartung hat jede einzelne Anlage“, erklärt Vermögensverwalter Andreas Glogger. Dazu gehört dann auch die Frage, was zum Beispiel mit einer geerbten Immobilie nach einer Kosten-Nutzen-Analyse passieren soll. Besser behalten, verkaufen oder eventuell gleich per Nießbrauch an die eigenen Nachfolger weitergegeben und sich so aber die Nutzung eventuelle Erträge vorbehalten? Solche Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten und es kann sich unter dem Strich lohnen, hier eher heute als morgen fachlich fundierten Rat einzuholen. Denn grundsätzlich gilt in Erbfragen das Prinzip: Je früher man sich Gedanken macht, desto besser – egal ob ge- oder vererbt wird.
Quelle:VBank/Florian Junker