Patientenverwechslung: Vasektomie mit juristischem Nachspiel
Ina ReinschEine Patientenverwechslung bei einer Sterilisation ist für alle Beteiligten ein katastrophales Ereignis. Wenn bei einem Menschen mit Behinderung auch die Genehmigung des Betreuungsgerichts fehlt, wird es eng.
Bei der Sterilisation eines Mannes kam es 2016 in München zu einer verhängnisvollen Patientenverwechslung. Der behandelnde Arzt sollte bei einem 24-Jährigen mit einer geistigen Behinderung eine beidseitige Leisten-OP vornehmen und diesen auf Wunsch der Eltern gleichzeitig sterilisieren. Am selben Tag stand auch die Leisten-OP eines 17-Jährigen auf dem Plan. Der Arzt verwechselte beide Patienten und sterilisierte fälschlicherweise den 17-Jährigen, bevor er die Sterilisation bei dem 24-Jährigen vornahm.
Patientenidentität erfragen
Der Arzt hat seinen Fehler direkt nach der OP erkannt und diesen sofort offen kommuniziert. Er organisierte einen Termin bei einem Kollegen, der die Vasektomie wenig später rückgängig machte – mit Erfolg. Doch auch die Sterilisation des betreuten jungen Mannes hätte nicht stattfinden dürfen, es fehlte die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Geschehen wirft ein Schlaglicht auf diese zwei wichtigen Aspekte: die Patientenverwechslung und die Sterilisation von Personen, die unter Betreuung stehen.
Patientenverwechslungen sind ein häufiges Thema in der Medizin: Gleiche oder ähnliche Namen, ähnliche Diagnosen oder schlicht Unaufmerksamkeit können eine Rolle spielen. Damit sie nicht passieren, gibt es verschiedene Sicherheitsmaßnahmen. So sollte der Patient immer aktiv gefragt werden: „Wie heißen Sie und wann sind Sie geboren?“ Das ermöglicht eine korrekte Zuordnung. Die Vergabe einer eindeutigen Patienten- oder Fallnummer, die in der Praxissoftware und der Papierakte übereinstimmt, kann ebenfalls einer Verwechselungsgefahr vorbeugen.
Bei der Sterilisation von Personen, die der Betreuung unterliegen, müssen Ärztinnen und Ärzte außerdem ganz genau hinsehen. Sie ist nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich.
Die Sterilisation muss vom Betreuungsgericht genehmigt werden. Im Genehmigungsverfahren wird ein Sachverständigengutachten eingeholt, das medizinische, psychologische und soziale Aspekte beleuchtet. Außerdem wird ein Verfahrenspfleger bestellt. Der Betroffene wird vom Vormundschaftsrichter persönlich angehört. Die Genehmigung wird nur erteilt, wenn
die Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen voraussichtlich auf Dauer besteht,
der Betroffene nicht widerspricht und
es muss wahrscheinlich sein, dass es ohne Sterilisation zu einer Schwangerschaft kommt, die nicht durch andere zumutbare Mittel verhindert werden kann.
Die Sterilisation darf dann erst zwei Wochen nach Wirksamkeit der Genehmigung durchgeführt werden.
Fehler vermeiden
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat 2024 seine Handlungsempfehlung zur Vermeidung einer Eingriffsverwechslung aktualisiert. Sie zeigt konkrete prä- und perioperative Maßnahmen auf, um Verwechslungen bei invasiven Eingriffen zu vermeiden. Wer seine eigenen Sicherheitsmechanismen überprüfen möchte, findet die Empfehlung unter https://t1p.de/b5b44.