Corona-Impfstoff: Das denken Praxis-Ärzte darüber
Marzena SickingPlötzlich ist der Impfstoff gegen Corona in greifbare Nähe gerückt. Russland hat bereits am 11. August den ersten Coronaimpfstoff zugelassen. Auch für das Mainzer Unternehmen Biontech und seinen US-Partner Pfizer scheint die Zulassung ihres Vakzins gegen das Coronavirus näherzurücken, doch die Skepsis in der Bevölkerung ist groß. Wie die Ärzteschaft dem Thema gegenübersteht, zeigt eine aktuelle Umfrage.
Der WHO zufolge forschen rund 200 Unternehmen, Universitäten und Institute an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Den ersten Impfstoff mit dem Namen “Sputnik V” hat Russland noch vor Abschluss der international üblichen klinischen Tests zugelassen und damit Kritik von Experten ausgelöst, da das Vakzin erst weniger als zwei Monate an Menschen getestet wurde. Man spricht von einer 92-prozentigen Wirksamkeit gegen das neuartige Coronavirus. Auch China hat für das Präparat des heimischen Unternehmens Sinovac eine Notfallzulassung erwirkt und laut Medienberichten Hunderttausende Menschen mit dem Impfstoff gegen Covid-19 geimpft. Eine offizielle Zulassung gibt es für das Präparat noch nicht.
Biontech und Pfizer mit erstem Impfstoff
Das Mainzer Unternehmen Biontech und sein Partner, der Pharmariese Pfizer aus den USA, hatten als weltweit erste Unternehmen positive Ergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studie mit einem Coronaimpfstoff verkündet. Die Ergebnisse der Wirksamkeitsstudie des Coronaimpfstoff von Biontech und Pfizer machen Hoffnung. Laut Studie bietet das Vakzin einen knapp 95-prozentigen Schutz vor Covid-19. Schwere Nebenwirkungen habe der Biontech-Impfstoff bisher nicht ausgelöst. Weltweit hatte diese Nachricht der Unternehmen für Euphorie gesorgt und ein Kursfeuerwerk an den Börsen ausgelöst.
Auch der US-Konzern Moderna hat gleichgezogen und meldet für sein Impf-Präparat zum Schutz vor Covid-19 eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent.
AstraZeneca mit 70-prozentigem Schutz
AstraZeneca, ein britischer Pharmakonzern, veröffentlichte ebenso Studienergebnisse zu seinem Impfstoff-Kandidaten. Das Mittel wurde gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt. Nach vorläufigen Studiendaten bietet es laut Hersteller im Mittel einen durchschnittlich 70-prozentigen Schutz vor Covid-19.
Durch einen Zufall wurde entdeckt, dass der Impfstoff ersten vorläufigen Daten zufolge effektiver wirkt, wenn den Probanden beim ersten Mal nur eine halbe Impfdosis statt einer ganzen verabreicht wird, gefolgt von einer vollen Dosis mindestens einen Monat später. So könne eine Wirksamkeit von 90 Prozent erreicht werden. Das Vakzin von AstraZeneca zählt im Gegensatz zu den Präparaten der Unternehmen Biontech/Pfizer und Moderna nicht zu den mRNA-Impfstoffen, sondern zu den herkömmlichen Vektor-Impfstoffen.
mRNA-Impfung wirkt nach 4 Wochen
Der Vorteil der mRNA-Impfstoffe liegt in der kürzeren Produktionszeit großer Mengen. Außerdem scheint die mRNA-Impfung bereits nach vier Wochen zu wirken. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer muss allerdings bei rund minus 70 Grad transportiert werden und hält bei Kühlschranktemperatur nur 5 Tage. Das wird noch eine logistische Herausforderung für die Impfstoffverteilung. Die Präparte von AstraZeneca und Moderna haben den Vorteil, dass sie bei Kühlschranktemperatur gelagert werden können.
Laut optimistischen Prognosen könnten die ersten Impfzentren in Deutschland ab Mitte Dezember öffnen. Doch mit der Hoffnung wächst auch die Skepsis in der Bevölkerung, ob ein so rasch durch die Zulassung geführter Impfstoff wirklich sicher genug ist.
Wie sehen die Ärzte in den Praxen das Thema Corona-Impfung? Würden sich die Mediziner persönlich selbst sofort impfen lassen?
Der Ärztenachrichtendienst (änd) führte am 11. November eine Blitzumfrage durch, an der sich rund 500 niedergelassene Haus- und Fachärzte beteiligten.
“Sollte ein Corona-Impfstoff in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen: Würden Sie sich impfen lassen?”, lautete die an die Ärzte gestellte Frage.
Insgesamt 65 Prozent der Ärzte bejahten die Frage und sprachen den europäischen Zulassungsbehörden somit das volle Vertrauen aus: 52 Prozent würden sich sofort impfen lassen, sobald ein Impfstoff verfügbar ist und die Impfung auch ihren Patienten oder einer ausgewählten Gruppe von Patienten empfehlen. Weitere 13 Prozent gaben ebenfalls an, sich impfen lassen zu wollen – eine Empfehlung gegenüber den Patienten halten sie allerdings nicht für sinnvoll.
Doch es gibt auch Skeptiker in der Ärzteschaft: 34 Prozent der an der Befragung teilnehmenden Mediziner wollen sich die Spritze nicht gleich im nächsten Jahr setzen lassen. Der Großteil davon (25 Prozent aller Umfrageteilnehmer) betont jedoch, dass er vielleicht später zur Impfung schreite, wenn über den Impfstoff mehr Erkenntnisse vorliegen. 10 Prozent lehnen eine Impfung mit einem Impfstoff gegen Corona auf absehbare Zeit komplett ab.
An der Online-Befragung beteiligten sich am 11. November insgesamt 496 niedergelassene Haus- und Fachärzte aus dem gesamten Bundesgebiet.
Das Paul-Ehrlich-Institut hat auf seiner Webseite Fragen und Antworten zur Impfstoffentwicklung gegen Covid-19 veröffentlicht.