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Allgemeinmedizin

In Deutschland konsumieren laut Bundesgesundheitsministerium 7,9 Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in gesundheitlich riskanter Menge. Von einem riskanten Konsum spricht man, wenn Frauen und Männer durchschnittlich mehr als 12 bzw. 24 Gramm Alkohol pro Tag zu sich nehmen.

Zu den möglichen Folgen eines erhöhten Alkoholkonsums zählen unter anderem das Korsakow-Syndrom und das Marchiafava-Bignami-Syndrom, die beide mit einer Abnahme der kognitiven Fähigkeiten, Sprechstörungen und unkontrollierten Bewegungen einhergehen können. Im Endstadium entwickeln die Betroffenen eine Demenz

Darüber hinaus erkranken schätzungsweise zwischen 22 und 66 Prozent der Menschen mit einem Alkoholproblem früher oder später an einer Polyneuropathie. Damit ist etwa jeder fünfte Polyneuropathie-Fall alkoholbedingt.

Wieso schädigt Alkohol die Nerven?

Die neurotoxische Wirkung von Alkohol beruht auf folgenden Prozessen:

  • Thiaminmangel:

    Da Mangelernährung ein weitverbreitetes Problem unter Alkoholabhängigen ist, nehmen viele der Betroffenen ohnehin schon zu wenig Thiamin auf. Außerdem hemmt Alkohol die Aufnahme und Verwertung von Thiamin.

  • Bildung von Acetaldehyd:

    Acetaldehyd ist ein Abbauprodukt von Ethanol. Es führt dosisabhängig zum Absterben von Neuronen. Bei chronischem Alkoholkonsum droht eine neuronale Degeneration.

  • Neuroinflammation:

    Alkohol erhöht die Zahl entzündungsfördernder Zytokine, welche die Blut-Hirn-Schranke überwinden und inflammatorische Prozesse im Gehirn anstoßen können. Außerdem lässt er die Glutamat-Spiegel im Gehirn ansteigen, was wiederum mit einem erhöhten Risiko für neuronale Schäden einhergeht. Über die Aktivierung von Mikroglia und Astrozyten kann Alkohol auch direkt eine Neuroinflammation hervorrufen.

  • Lebervermittelte Schädigung:

    Bei einer hepatischen Enzephalopathie fallen aufgrund des alkoholbedingten Leberschadens vermehrt neurotoxische Substanzen an. In der Folge kann es auch zu indirekten Schäden am Gehirn kommen.

„Alles in allem kann man sagen, dass die neurologischen Langzeitfolgen des Alkoholkonsums enorm sind. Sie treten oft nicht in Erscheinung, weil sie natürlich zusammen mit anderen alkoholinduzierten Krankheiten auftreten, die meistens als Todesursache im Vordergrund stehen. Verstirbt ein Alkoholiker an einer Leberzirrhose, bleibt in den Köpfen hängen, dass Alkohol die Leber schädigt, selbst wenn der Betroffene über viele Jahre zuvor an einer Alkoholdemenz litt“, so Prof. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung. „Unser Anliegen ist es deshalb, die Gefahren des Alkohols auf Nerven und Gehirn bekannter zu machen – denn, um es einmal plakativ auf den Punkt zu bringen: Ja, man kann sich tatsächlich sein Gehirn wegsaufen.“

Alkohol ist auch in Maßen nicht gesund

Der Trugschluss, dass Alkohol in geringen Mengen gesund ist, geht auf Studien zurück, in denen abstinente Menschen eine höhere Sterblichkeit aufwiesen als solche mit moderatem Alkoholkonsum. Es stellte sich jedoch heraus, dass unter den Teilnehmenden, die gar keinen Alkohol tranken, viele ehemalige Alkoholkranke waren. Nach Beseitigung dieser Verfälschung stieg das Risiko bereits bei geringem Alkoholkonsum an.

Quelle:

u. a. Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie vom 29. Oktober 2024

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