Private Klinikträger wollen neues Vergütungssystem mit den Krankenkassen erproben
A&W RedaktionIn mehreren Regionen Deutschlands soll ein Modell erprobt werden, nach dem die Kliniken eine Versorgungspauschale je Versicherten bekommen – unabhängig davon, ob der Versicherte im Krankenhaus behandelt wurde oder wie aufwändig eine Behandlung war.
Krankenkassen bezahlen bisher für die Behandlung ihrer Versicherten diagnosebezogene Gebühren und Fallpauschalen an Ärzte und Krankenhäuser. Demnächst könnte das „eherne Vergütungsprinzip“ der deutschen Krankenversicherung mit dem Modell einer Versorgungspauschale auf den Kopf gestellt werden.
Das neue Vergütungsmodell wurde beim diesjährigen Bundeskongress der Krankenhäuser und Rehakliniken in privater Trägerschaft in Kiel vorgestellt und mit Vertretern der Politik, Wissenschaft, Krankenkassen und Ärzten diskutiert. Nach einhelliger Meinung aller Beteiligten könnten solche „Regionale Gesundheitsfonds“ mehrere Probleme des gegenwärtigen Vergütungssystems auf einen Schlag lösen, gleichzeitig zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen beitragen und sogar dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Statt einer zentralistischen Regulierung könnten regionale Unterschiede und Besonderheiten besser berücksichtigt und eine bedarfsgerechtere Versorgung erreicht werden. Die häufig kritisierten Fehlanreize durch die derzeitigen Diagnose-Fallpauschalen in der Krankenhaus-Vergütung würden entfallen und der von allen bemängelte bürokratische Abrechnungsaufwand des aktuellen Systems würde minimiert. Stattdessen schaffe die neue Abrechnungsmethode Anreize zur Prävention und der Qualitätswettbewerb in der medizinischen Versorgung werde belebt – davon profitieren vor allem die Bürgerinnen und Bürger.
Lob und Ermutigung vom Staatssekretär
Entwickelt wurde das Modell der Regionalen Gesundheitsfonds vom Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) gemeinsam mit Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Nach seinen Vorstellungen wird zur Umsetzung im ersten Schritt der Status quo der Ausgaben für die stationären, teilstationären und ambulanten Behandlungsfälle der Krankenhäuser einer bestimmten Versorgungsregion ermittelt und um systembedingte Abschläge verringert.
Das Ergebnis ist ein Budget für die Krankenhäuser, in dem die Krankenhäuser die Patientenversorgung flexibler nach den Patientenbedürfnissen ausrichten können. Komplizierte Abrechnungsvorgaben, die heute eine gute Versorgung zum Teil behindern und bürokratische Abrechnungsstreitigkeiten auslösen, könnten reduziert werden. Stattdessen soll die Qualität der von ihnen erbrachten Leistungen stärker in den Fokus gerückt werden. Dabei soll auch der Wettbewerb unter den Kliniken in der Region gewahrt bleiben, weil die Patienten auch die benachbarten Krankenhäuser aufsuchen dürfen. Dann wird das Budget entsprechend reduziert.
Der BDPK möchte zeitnah gemeinsam mit den Krankenkassen Pilotregionen definieren und festlegen, in denen das Modell erprobt werden soll. Verlaufen die Versuche erfolgreich, können später auch andere Versorgungsbereiche wie die ambulante ärztliche Versorgung und die medizinische Rehabilitation einbezogen werden.
Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein lobte das vorgestellte Modell: „In den ländlichen Räumen machen sich die alternde Bevölkerung und der Fachkräftemangel besonders bemerkbar. Hier bedarf es neuer und innovativer Lösungsansätze genauso wie einer guten Krankenhausplanung. Dazu gehören mehr Vernetzung, insbesondere sektorenübergreifende Verbindungsformen, aber auch die Telemedizin kann als modernes Instrument den Zugang zu qualitativ hochwertiger Medizin ermöglichen und einen enormen Komfortgewinn für die Patientinnen und Patienten bedeuten.“
Vorhandene Potenziale besser nutzen
Die Präsidentin des BDPK, Dr. Katharina Nebel, rief zu mehr Mut und Entschlossenheit beim Ausprobieren neuer Lösungsansätze auf: „Es gibt viele sinnvolle Konzepte und Vorschläge, mit denen Bürokratie und unnötiger Zentralismus beseitigt und Probleme in der ländlichen medizinischen Versorgung reduziert werden könnten. Darüber darf jetzt nicht mehr viel diskutiert, sondern es muss auch mal etwas Neues ausprobiert werden.“ Dazu sei, so Dr. Nebel, nicht immer nur der große Wurf erforderlich, oft würden auch kleine Schritte zu besseren und schnelleren Ergebnissen führen. Sie betonte auch die Potentiale der Reha-Kliniken für die ambulante medizinische Versorgung auf dem Land, wenn sie konsequent in das Versorgungsgeschehen eingebunden würden. Davon profitieren die Patienten durch bessere Versorgung und bessere Versorgungsangebote“, so Dr. Nebel.
Bestätigt wurde diese Einschätzung von Prof. Dr. Gert Krischak, wissenschaftlicher Leiter und Vorsitzender des Vorstands des Instituts für Rehabilitationsmedizinische Forschung (IFR) an der Universität Ulm. Er stellte die Ergebnisse einer aktuellen Studie seines Instituts zur Wirksamkeit der orthopädischen Rehabilitation vor. Diese weise mit wissenschaftlichen Methoden die Wirkungen von Reha-Maßnahmen nach. Sie verbessern nicht nur den Gesundheitszustand der Patienten nachhaltig, sondern senken auch die Ausgaben der Krankenkassen im stationären Krankenhausbereich und führen zu weniger Arbeitsunfähigkeitstagen und zur verzögerten Berentung. Der volkswirtschaftliche Nutzen betrage allein bei der orthopädischen Reha rund 493 Mio. Euro im ersten Reha-Jahr und weitere 73,3 Mio. Euro im zweiten Reha-Jahr.
Im Rahmen des Bundeskongresses fand auch die BDPK-Mitgliederversammlung statt, bei der Kai Hankeln, Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung/CEO der Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA als BDPK-Vorstandsmitglied bestätigt wurde. Der BDPK-Vorstand hatte Kai Hankeln im November 2018 kooptiert. Er folgt auf Dr. Thomas Wolfram, der sein Vorstandsamt niedergelegt hatte.