Unfreundliches Verhalten der Mitarbeiter: Wann ist eine Abmahnung erlaubt?
A&W RedaktionJede MFA hat mal einen schlechten Tag. Freundliches Verhalten sollte in der Praxis jedoch die Regel sein. Wenn ein aggressiver Ton Patienten verärgert, sollten Ärztinnen und Ärzte über eine Abmahnung nachdenken. Was sie dabei beachten müssen.
Gibt es ihn wirklich – den Praxisdrachen? Glaubt man den Patienten-Foren im Internet, scheint in jeder deutschen Arztpraxis mindestens einer zu arbeiten. Ganz so ist es natürlich nicht. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befinden sich oft in der schwierigen Situation, Patientenanliegen priorisieren und bisweilen deutlich Nein sagen zu müssen. Nicht alle Patienten können oder wollen das verstehen. Manchmal müssen Mitarbeiter deutlich werden.
Praxisinhaberinnen und -inhaber können sehr wohl unterscheiden, ob ihre Angestellten resolut, aber korrekt auftreten oder einfach ihrer schlechten Laune freien Lauf lassen – denn das gibt es auch. Manchmal wird der Praxischef selbst Zeuge einer solchen Situation. Manchmal beschweren sich Patienten über die MFA. Hilft eine Unterredung oder schriftliche Ermahnung nicht weiter, sollten Ärzte über eine Abmahnung nachdenken. Denn unter Patienten spricht sich schnell herum, dass es in einer bestimmten Praxis „unmöglich“ zugeht und man sich dort besser keinen Termin geben lässt.
Welche Aufgaben eine Abmahnung erfüllt
Eine Abmahnung ist in der Regel Voraussetzung für eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung des Mitarbeiters. Sie erfüllt folgende Aufgaben:
Dokumentationsfunktion: Die Abmahnung soll den Pflichtverstoß (Leistungs- oder Verhaltensmängel) festhalten. Sie ist nicht an eine bestimmte Form gebunden und kann daher auch mündlich erteilt werden. Aus Nachweisgründen empfiehlt es sich aber, die Abmahnung schriftlich zu erteilen und zur Personalakte zu nehmen.
Hinweisfunktion: Dem Arbeitnehmer soll gezeigt werden, dass ein ganz bestimmtes Verhalten aus Sicht des Arbeitgebers einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt.
Warn- und Androhungsfunktion: Durch Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen soll dem Arbeitnehmer deutlich gemacht werden, dass ein wiederholter Verstoß den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.
Das gehört in eine korrekte Abmahnung
In der Praxis eine Abmahnung korrekt zu formulieren ist aber nicht so einfach. Erfüllt sie nicht bestimmte Voraussetzungen, ist sie unwirksam. Eine Abmahnung muss folgende Bestandteile aufweisen:
- konkrete Benennung des beanstandeten Verhaltens, (Beispiel: „Am Montag, den 26. Oktober 2020, haben Sie um 11.15 Uhr an der Anmeldung zu Frau Maier gesagt, sie solle gefälligst warten, sie könnten schließlich auch nicht hexen. Querulanten wie sie würden den ganzen Laden aufhalten. Frau Maier hatte zuvor nach ihrem Rezept gefragt.“)
- Rüge dieser Pflichtverletzung, (Beispiel: „Damit haben Sie gegen Ihre vertragliche Nebenpflicht verstoßen, die Sie zu einem angemessenen und freundlichen Verhalten gegenüber Patienten verpflichtet.“)
- eindringliche Aufforderung, sich künftig vertragstreu zu verhalten, (Beispiel: „Ich erwarte, dass Sie künftig freundlich mit Patienten umgehen und diese bitten, einem Moment Platz zu nehmen und zu warten, bis ihr Rezept gedruckt und unterschrieben ist.“)
- Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Wiederholungsfall. (Beispiel: „Für den Wiederholungsfall behalte ich mir arbeitsrechtliche Schritte vor, die bis hin zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen können.“)
Ein einmaliger Ausrutscher kann jedem mal passieren
Wichtig: Ein Abmahnschreiben darf nicht pauschal formuliert sein. Es muss das Fehlverhalten eines Mitarbeiters ganz konkret benennen. Schwammige Formulierungen („Sie waren unfreundlich.“, „Schon wieder haben Sie die Rezepte nicht gedruckt.“) reichen nicht aus. Ob das Schreiben dagegen als Abmahnung bezeichnet wird, ist nicht entscheidend, solange es alle Voraussetzungen einer Abmahnung erfüllt. Unverhältnismäßig sind aber Abmahnungen bei unabsichtlichen Bagatellverstößen oder solchen, die als Ausrutscher gewertet werden können. Dazu würde beispielsweise zählen, wenn eine MFA in der Hektik einmal vergessen hat, ein Rezept zu drucken.
Auch berechtigte Kritik muss, solange sie nicht beleidigend oder diffamierend ist, als Meinungsäußerung hingenommen werden. Beleidigungen oder Diffamierungen gegenüber Patienten, Mitarbeitern oder dem Chef selber müssen dagegen nicht geduldet werden. Es besteht eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, sich sozialadäquat zu verhalten.
Hier darf sofort gekündigt werden
In bestimmten Ausnahmefällen ist eine Abmahnung nicht erforderlich, etwa dann, wenn eine an sich mögliche Verhaltensänderung in der Zukunft nicht zu erwarten ist („Sorry Chef, bei der Maier sehe ich rot, die kann ich nur anbrüllen.“), bei schweren Vertragsverletzungen, bei denen dem Arbeitnehmer bewusst sein musste, dass sie zur Kündigung führen („Blöde Kuh!“), oder wenn durch das Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien so erschüttert worden ist, dass es auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann. In diesen gravierenden Fällen können Ärztinnen und Ärzte in der Regel gleich kündigen.
Wer ein bestimmtes Verhalten abmahnt, verzichtet übrigens für den betreffenden Sachverhalt auf sein Kündigungsrecht. Das bedeutet im Klartext: Ärgert sich der Praxisinhaber nach einem Vorfall und einer Abmahnung noch immer so sehr, dass er nun doch lieber gleich kündigen möchte, sind aber keine neuen Tatsachen hinzugekommen, kann er nicht mehr allein wegen des abgemahnten Sachverhalts kündigen, sondern erst im Wiederholungsfall. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Daher sollten Arbeitgeber bei gravierenden Vorfällen gut überlegen, welches arbeitsrechtliche Mittel sie wählen.
Allerdings kann eine Abmahnung auch zu spät kommen. Wer als Arbeitgeber mehrere Monate auf einen Vorfall nicht reagiert, bringt damit zum Ausdruck, dass er das Verhalten toleriert. Liegt ein abgemahntes Verhalten sehr lange zurück, kann der Chef bei einem neuen Fehltritt eine Kündigung nicht auf den alten Vorfall stützen. Wurde etwa eine Mitarbeiterin wegen unfreundlichen Verhaltens gegenüber Patienten vor zwei bis drei Jahren abgemahnt, kann sich aus juristischer Sicht nach dieser Zeit der Mantel des Vergessens über den Vorfall legen.
Unfreundliches Verhalten – Lappalie oder Abmahnungsgrund? |
---|
Welches Verhalten den Arbeitgeber ganz konkret zu einer Abmahnung berechtigt, ist oft gar nicht so leicht auszumachen. Denn was Unfreundlichkeit heißt, interpretiert jeder anders. So entschied etwa das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, dass ein Ausbildungsberater, der Ansprechpartner für erwachsene Lehrgangsteilnehmer war, wegen einer unfreundlichen Mail zu Recht abgemahnt wurde (20.05.2014, Az. 2 Sa 17/149). Nachdem ihn ein Seminarteilnehmer per E-Mail nach Einzelheiten einer mündlichen Ergänzungsprüfung gefragt hatte, antwortete der Berater, es dürfe „eigentlich selbstverständlich sein, dass man sich dort anmeldet, wo man sich auch zur schriftlichen Prüfung angemeldet hat. Dass Anmeldungen nicht auf Zuruf erfolgen können, sollte ebenfalls klar sein.“ Als der Lehrgangsteilnehmer diese Antwort als unfreundlich beanstandete, mailte der Ausbildungsberater zurück: „Nach heute mittlerweile ca. 20 Anrufen von angehenden Meistern bleibt die Freundlichkeit einfach aus.“ Das kam dem Arbeitgeber zu Ohren, der den Mitarbeiter abmahnte. Zu Recht. Der Arbeitnehmer habe sich arbeitsvertragswidrig verhalten. Werde das Verhalten von Außenstehenden als unfreundlich empfunden, wirke sich dies nicht nur negativ auf das Ergebnis der eigenen Arbeit aus, sondern beeinflusse auch das Ansehen des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit. Die Beantwortung der Anfrage sei schriftlich erfolgt, so dass von einem „Ausrutscher“ keine Rede sein könne. |