Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht

Seit dem 15. März 2015 können Frauen die sogenannte „Pille danach“ rezeptfrei in Apotheken kaufen. Zur rezeptfreien Abgabe sind Arzneimittel mit den Inhaltsstoffen Levonorgestrel (LNG) und Ulipristalacetat (UPA) zugelassen. Beide greifen in den Hormonhaushalt ein und verschieben den Eisprung, sodass keine Befruchtung der Eizelle stattfinden kann. LNG kann bis zu 72 Stunden „danach“, UPA bis zu 120 Stunden später eingenommen werden. Am sichersten wirken beide, wenn sie innerhalb von zwölf Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden.

Die Bundesapothekerkammer (BAK) hat für Apotheker eine Handlungsempfehlung veröffentlicht, die Hinweise zur Beratung und Abgabe sowie Kriterien für die Grenzen der Selbstmedikation vorgibt. Problematisch bleibt die Sache für Apotheker dennoch, da es an spezifischen (arzneimittel-)rechtlichen Vorschriften mangelt. So kann der Apotheker die „Pille danach“ theoretisch nicht nur an die betroffene Frau, sondern auch an einen Dritten abgeben, sofern dieser relevante Fragen zur Indikation beantworten kann. Dies dürfte nicht immer der Fall sein. Der Apotheker darf die Abgabe verweigern, wenn Bedenken nicht ausgeräumt werden können.

Aber Vorsicht: Aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen, also reinen Gewissensgründen, darf die Abgabe der Pille danach nicht verweigert werden. Hier haben Apotheker im Gegensatz zu Ärzten keinen Ermessensspielraum und müssen ggf. disziplinarische, straf- und zivilrechtlichen Folgen fürchten.

In diesen Fällen haftet der Apotheker

Grundsätzlich treffen den Apotheker bei der Abgabe nicht rezeptierter Medikamente besondere Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten, da davon auszugehen ist, dass diese Informationen nicht schon beim Arzt eingeholt worden sind. Deshalb muss die Beratung alle relevanten Informationen über die sachgerechte Einnahme und Aufbewahrung des Arzneimittels sowie eventuelle Neben- und Wechselwirkungen beinhalten. Bei OTC-Präparaten muss der Apotheker außerdem feststellen, „ob das gewünschte Arzneimittel zur Anwendung bei der vorgesehenen Person geeignet erscheint“ oder ob der betroffenen Frau nicht eher ein Arztbesuch zu empfehlen ist.

Laut der Handlungsempfehlung der BAK muss der Apotheker den Zeitpunkt des ungeschützten Verkehrs, Verdacht einer Schwangerschaft, eine mögliche Übelkeit, bestehende Stillzeit und anderweitige Medikamenteneinnahme erfragen. Zudem ist der Hinweis erforderlich, dass kein Verhütungsschutz für den Rest des Zyklus besteht und deshalb eine (zusätzliche) Verhütung z. B. mit Kondomen notwendig ist.

Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten

Verletzt der Apotheker eine dieser Hinweis-, Aufklärungs- und Beratungspflichten und entsteht der Patientin daraus ein Schaden, kann er auf Schmerzensgeld und Schadensersatz verklagt werden. Bleibt die Frau aufgrund eines Beratungsfehlers schwanger und bekommt ein Kind, können sogar Unterhaltsansprüche daraus entstehen. Vor dem Bundesgerichtshof wurde bereits in mehreren Fällen gegen Ärzte entschieden. Sie mussten nach einer fehlerhaften Verhütungsbehandlung die wirtschaftlichen Belastungen der Eltern mittragen.

Eine Minderung der Verantwortlichkeit kommt nur durch die Verpflichtung der Patientin in Frage, sich selbst zu informieren und die Packungsbeilage zu lesen. Informiert sie sich nicht, ist der Apotheker für den Folgeschaden nicht voll verantwortlich. Gleiches gilt, wenn die betroffene Frau sich nicht zu möglichen Unverträglichkeiten äußert, die bereits bestehen. Der Apotheker muss nur offenkundige Probleme ansprechen, aber nicht alles erahnen.

Patientin in der Beweispflicht

Etwas Sicherheit gewinnen Apotheker dadurch, dass die Beweislast erst einmal bei der Patientin liegt. Sie muss beweisen, dass der Beratungsfehler zu einem Schaden geführt hat. Das gilt allerdings nur, wenn der Apotheker keinen groben Fehler gemacht hat. Der würde nämlich zu einer Beweislastumkehr führen. Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 7. August 2013 (Az.: 5 U 92/12) entschieden, dass der im Arzthaftungsrecht seit Langem anerkannte Grundsatz der Beweislastumkehr beim groben Behandlungsfehler auch auf Apotheker übertragen werden kann. Dann muss der Apotheker beweisen, dass der Schaden nicht auf seinen Fehler zurückzuführen ist.