Vorsicht, Beschäftigungsverbot: Wie ein Praxisinhaber auf 200.000 Euro sitzen blieb
A&W RedaktionSchwangere und Stillende unterliegen im Gesundheitswesen oft einem Beschäftigungsverbot. Für ärztliche Arbeitgeber kann das extrem teuer werden. Das zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.
So musste ein betroffener Kollege für eine sechsstellige Summe selbst aufkommen, weil die Krankenkasse die Erstattung des Mutterschaftslohns verweigerte.
Manchmal kommt es dick. Die Corona-Krise drückt die Umsätze, eine hochbezahlte Mitarbeiterin hat ihr zweites Kind geboren und kommt bis auf Weiteres nicht mehr zur Arbeit. Und dann verweigert auch noch die Krankenkasse die Erstattung des Mutterschaftslohns in Höhe von fast 25.000 Euro pro Monat.
Für einen Zahnarzt aus Hessen war das zu viel. Er verklagte die Krankenkasse und verlangte die Erstattung von knapp 200.000 Euro, die seit März 2020 für die angestellte Kollegin angefallen waren. Diese habe ihm mitgeteilt, dass sie ihr im März 2019 geborenes Kind über das erste Lebensjahr hinaus weiterhin stille und daher dem Beschäftigungsverbot unterliege. Vor dem Sozialgericht Frankfurt hatte der Mediziner mit seinem Anliegen allerdings keinen Erfolg. (Az. S 34 KR 2391/20 ER).
Auch für Stillende gilt das Mutterschutzgesetz
Zutreffend ist zwar, dass angestellte Zahnärztinnen, die ihr Kind nach der Geburt stillen, nach den Vorgaben des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) nicht an ihrem Arbeitsplatz beschäftigt werden dürfen, wenn dies eine Gefährdung für sie oder das gestillte Kind darstellt und eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder ein Arbeitsplatzwechsel „in zumutbarer Weise nicht möglich“ ist. Entsprechend müssen Arbeitgeber einer Frau, die wegen einer Schwangerschaft oder aufgrund ihrer Stillzeit einem solchen Beschäftigungsverbot unterliegt, ihr bisheriges Gehalt in voller Höhe auszahlen. Die Kosten können sie sich von der Krankenkasse erstatten lassen. Das gilt aber nur, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind. Und das war vorliegend nicht der Fall.
Ohne Attest kein Geld
Die Krankenkasse monierte zum einen, dass die Frau den Stillumfang und -bedarf nicht durch ein ärztliches Attest belegt habe. Selbst in der vom Gericht angeforderten eidesstattlichen Versicherung habe die Frau keine konkreten Stillzeiten während ihrer Arbeitszeit glaubhaft machen können. Zumal ihr Kind tagsüber in einer Kindertagesstätte betreut werde. Der Zahnarzt habe zudem nicht dargelegt, warum eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen zur Vermeidung gesundheitlicher Gefährdungen unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Aufwand verbunden sei. Wörtlich heißt es im Urteil: „Es ist dem Gericht schon nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage der Antragsteller als Arbeitgeber die Nichterbringung der Arbeitsleistung bei gleichzeitiger Lohnfortzahlung akzeptiert.“
Kein dauerhafter Sonderkündigungsschutz
Dauerhaft muss der Zahnarzt die stillende Kollegin aber wohl nicht bezahlen, obwohl diese nicht mehr arbeitet. Er hat der Frau gekündigt – und das offenbar rechtswirksam. Möglich ist das, weil der Sonderkündigungsschutz, den junge Mütter nach dem MuSchG genießen, nicht grenzenlos ist. Er endet vier Monate nach der Geburt – egal, wie lange gestillt wird.