Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht
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Ein niedergelassener Arzt operierte einen Patienten zweimal ambulant und stellte dafür zwei Rechnungen in Höhe von jeweils rund 13.000 Euro. Der Patient beglich diese auch. Doch seine private Krankenversicherung verklagte anschließend den Arzt. Sie hielt die Abrechnung nämlich für falsch und überhöht. Ihrem Versicherungsnehmer, dem Patienten, hatte sie die eingereichten Rechnungen zunächst in Höhe seines Versicherungstarifs erstattet, sich aber die Forderungen, die er gegen seinen behandelnden Arzt hatte, abtreten lassen.

Dieser Klage wird der Arzt vermutlich zunächst gelassen entgegengeblickt haben. Denn in dem Behandlungsvertrag mit dem Privatpatienten hatte er die Abtretung der Forderungen an die Krankenversicherung ausdrücklich verboten. Konkret lautete die Klausel: „Mit Ihrer Unterschrift versichern Sie, Forderungen aus der Behandlungsrechnung nicht an Ihre Krankenversicherung/Beihilfestelle abzugeben und das berechnete Honorar selbst zu tragen, soweit Ihre Versicherung oder Beihilfestelle dies nicht oder nicht in vollem Umfang erstattet.“ Doch vor Gericht musste er zwei Niederlagen einstecken und rund 4.700 Euro an die private Krankenversicherung seines Patienten zahlen. Das wirft die Frage auf, inwieweit Abtretungsverbote in Behandlungsverträgen mit Privatpatienten oder Selbstzahlern wirksam sind.

Kein Vertragsverhältnis mit der Krankenversicherung

Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schließen mit Privatpatienten und Selbstzahlern Behandlungsverträge. Oft geschieht dies mündlich oder durch sogenanntes konkludentes Verhalten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Privatpatient telefonisch um einen Termin wegen einer akuten Atemwegserkrankung bittet und sich dann behandeln lässt. Aus Beweisgründen ist jedoch ein schriftlicher Behandlungsvertrag ratsam. Rechtlich handelt es sich um einen Dienstvertrag, das heißt, der Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, aber nicht einen Behandlungserfolg.

Mit Dritten wie beispielweise privaten Krankenversicherungen oder Beihilfestellen geht der Arzt dabei kein Vertragsverhältnis ein. Nur der Patient kann einen Erstattungsanspruch gegenüber seiner Versicherung oder Beihilfestelle haben. Daher muss der Patient bei einer privatärztlichen Behandlung die in Anspruch genommenen Leistungen selbst und vollständig zahlen, sofern der Arzt eine ordnungsgemäße Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte gestellt hat.

Abtretungsklausel ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung

In den Behandlungsvertrag kann auch eine Aufklärung über die Kosten der Behandlung aufgenommen werden. Nach § 630c Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs muss der Arzt oder die Ärztin nämlich vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten in Textform informieren, wenn er weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben. 

In zahlreichen Behandlungsverträgen finden sich sogenannte Abtretungsverbote. Sie sollen verhindern, dass der Patient eventuelle Forderungen aus dem Behandlungsvertrag an andere, Dritte, abtritt. Ärzte möchten damit verhindern, sich mit einer Vielzahl von Gläubigern auseinandersetzen zu müssen, sie möchten im Zweifel nur mit ihrem Patienten streiten. Das ist durchaus legitim. Doch sind diese Abtretungsverbote zulässig?

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Karlsruhe als zweite Instanz die konkret von dem Arzt verwendete Klausel für unwirksam gehalten (17.08.2022, Az. 7 U 143/21). Das Abtretungsverbot stellt nämlich eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) dar. AGB können von den Gerichten inhaltlich überprüft werden. Das Abtretungsverbot im Behandlungsvertrag ist eine vorformulierte Vertragsbedingung, auf die der Patient keinen Einfluss nehmen kann und die für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen ist. Sie ist jedoch für den Patienten eine überraschende Klausel und daher unzulässig, so das Gericht. 

Abtretungsverbot als überraschende Klausel

Überraschend ist eine Klausel dann, wenn der Vertragspartner mit ihr nach den Umständen des Falles vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Zwar wurde auf die Klausel ausdrücklich hingewiesen. Überraschend war das Abtretungsverbot aber nach Auffassung des Gerichts deshalb, weil es sich nicht allein auf die zuvor ausdrücklich im Behandlungsvertrag aufgeführten Leistungen bezogen hat, sondern auf alle Forderungen aus der letztlich zu stellenden Rechnung. Es bezog damit auch weitergehende Leistungen mit ein, die kurzfristig oder anlassbezogen anfallen konnten, etwa weil es bei der Behandlung Komplikationen gibt. Mit einem so umfassenden Abtretungsverbot müsse ein verständiger Patient nicht rechnen. 

Zusätzlich hielt das Gericht die Klausel für unangemessen, weil sie den Patienten benachteilige. Denn der Patient verfüge im Gegensatz zum abrechnenden Arzt oder seiner Krankenversicherung nicht über die notwendige Sachkunde, um beurteilen zu können, ob eine Leistung zulässig abgerechnet wurde und sie nur nicht erstattungsfähig ist oder ob bereits die Abrechnung unzulässig war. Der Patient muss so die Kosten der Behandlung zumindest vorläufig selbst tragen, wenn er sich nicht dem Risiko einer Auseinandersetzung mit dem abrechnenden Arzt aussetzen will. Er müsste dann gegen den Arzt klagen.

Rechtsfrage zum Abtretungsverbot ist höchstrichterlich nicht geklärt

Das Urteil stellt keine höchstrichterliche Entscheidung dar. Über die Frage, ob es grundsätzlich möglich ist, ein Abtretungsverbot zu vereinbaren, hat das Oberlandesgericht nicht entschieden. Diese Rechtsfrage ist nicht abschließend geklärt. Man darf natürlich als Arzt auch unwirksame Klauseln verwenden. Das ist nicht verboten und mag vielleicht den einen oder anderen Patienten abschrecken, gegen einen Arzt zu klagen. Versicherungen scheuen solche Auseinandersetzungen aber in der Regel nicht. Die Entscheidung zeigt, dass die rechtlichen Hürden für die wirksame Vereinbarung eines Abtretungsverbots hoch sind.

Hätten Sie das gewusst?

§ 194 Absatz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in Verbindung mit § 86 Absatz 1 und 2 des VVG regelt, dass Rückforderungsansprüche gegen einen Arzt vom Versicherten auf die Versicherung übergehen, sofern die Versicherung geleistet hat. Praktisch bedeutet das: Der Patient reicht seine Rechnung mit der Bitte um Erstattung bei der Krankenkasse ein. Diese zahlt den gesamten Rechnungsbetrag. Doch im Nachhinein erhält der behandelnde Arzt eine Rückforderung der privaten Krankenversicherung für bestimmte Gebührenordnungspositionen, nicht selten für eine Vielzahl von Rechnungen und Patienten. Manche Versicherer bieten dann einen Vergleich an, andere klagen gleich. Ob ein vereinbartes Abtretungsverbot mit dem Patienten dieses Vorgehen der Assekuranzen beziehungsweise den gesetzlichen Forderungsübergang nach dem VVG verhindern kann, ist umstritten.