Wenn der Patient mit Klage droht: Bewahren Sie Ruhe!
Marzena SickingImmer häufiger ziehen Patienten wegen vermeintlicher Behandlungsfehler ihres Arztes vor Gericht. Doch längst nicht jeder Vorwurf ist berechtigt. Im Ernstfall gilt es daher, besonnen und umsichtig zu reagieren, auch um etwaige Versicherungsleistungen nicht zu gefährden.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Im vergangenen Jahr mussten sich die Gutachter des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der Kassen (MDS) mit rund 14.828 vermuteten Behandlungsfehlern auseinandersetzen. In 4.064 Fällen wurden die Vorwürfe der Patienten bestätigt. 2014 wurden 14.663 Verdachtsfälle untersucht und 3.796 Behandlungsfehler bestätigt.
Der Trend lässt sich also nicht leugnen: Die Bereitschaft der Patienten, Ärzte in die Haftung nehmen zu wollen, wächst. Experten führen die Entwicklung im Wesentlichen auf drei Punkte zurück: Erstens die Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre, der Patient ist selbstbewusster und mündiger geworden. Zweitens die gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit für spektakuläre Fälle, und drittens das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz. Seitdem ist es für Versicherte deutlich einfacher, den Verdacht auf einen ärztlichen Kunstfehler prüfen zu lassen.
Auch die Summen, die auf dem Spiel stehen, steigen konstant. Kaum ein medizinisches Fachgebiet ist inzwischen vor Großschäden im sechs- oder gar siebenstelligen Eurobereich gefeit. Zwar tragen die chirurgischen Fächer weiterhin das größte Risiko, Millionenschäden können aber auch in einer dermatologischen Praxis nach einem anaphylaktischen Schock entstehen oder aufgrund eines vom Hausarzt nicht erkannten Schlaganfalls oder Herzinfarkts.
Im Notfall richtig verhalten
Wer mit Schadenersatz- oder Schmerzensgeldforderungen eines Patienten konfrontiert ist, wird erst einmal nervös. Lassen Sie sich von dieser ganz natürlichen Reaktion keinesfalls zu unüberlegtem Handeln verleiten. Denn Fehler, die Sie nach einem solchen Vorwurf begehen, können Sie im Zweifelsfall den Versicherungsschutz kosten.
Besonders wichtig:
- Schauen Sie sich ihren Haftpflichtversicherungsvertrag genau an. Und zwar schon jetzt, also bevor der mögliche Schaden eingetreten ist. Die meisten Versicherungen haben hier nämlich klare Vorgaben, wie ein Arzt sich im Falle eines Falles zu verhalten hat. Die sollte man schon im Hinterkopf haben, bevor der Vorwurf auf dem Tisch liegt.
- Geben Sie gegenüber dem Patienten oder dessen Angehörigen auf keinen Fall einen Fehler zu. Die Versicherer legen solche Aussagen gerne als Haftungsanerkenntnis aus und verursachen Probleme bei der Regulierung.
- Nehmen Sie umgehend Kontakt zu Ihrem Berufshaftpflichtversicherer auf und überlassen Sie diesem die weitere Kommunikation mit ihrem Patienten bzw. dessen Anwalt.
- Sollten Sie sich einen eigenen Anwalt nehmen wollen, sollten Sie auch diesen Schritt mit ihrem Versicherer besprechen.
- Haben Sie einen Behandlungsfehler begangen und möchten sofort dazu stehen, dann können Sie den Vorwurf durchaus anerkennen, ohne den Deckungsanspruch gegenüber Ihrer Haftpflichtversicherung zu verlieren. Allerdings muss der Arzt dann seiner Versicherung beweisen, dass er die Schuld zurecht anerkannt hat. Es findet also eine Art Beweisumkehr statt. Wer sich unnötigen Stress ersparen will, sollte seine Sicht der Dinge immer erst mit der Versicherung besprechen. Über den Behandlungsverlauf dürfen Sie mit dem Patienten natürlich trotzdem sprechen und müssen hier auch keine Tatsachen leugnen oder verdrehen. Sie sollten aber auf keinen Fall irgendwelche Zugeständnisse in Bezug auf die Anerkennung als Behandlungsfehler oder gar die Höhe der Schadensersatzsumme machen.
- Bleiben Sie als Arzt ansprechbar, verweisen Sie bei der Schadensregulierung aber immer auf Ihre Haftpflichtversicherung.
ehandlungsfehlervorwürfe des Jahres 2015
Der Großteil der Behandlungsfehlervorwürfe des Jahres 2015 wurde in Zusammenhang mit Operationen erhoben (7.700). Ein Drittel betraf den Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie. Danach folgten Vorwürfe gegen Allgemeinmediziner und die Pflege mit jeweils 5 Prozent der Vorwürfe.