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Pädiatrie

In den ersten zwei Lebensjahren sind Kinder besonders anfällig für Infektionen, die teilweise eine antibiotische Behandlung erfordern. Gleichzeitig ist in dieser Phase aber auch das Darmmikrobiom besonders anfällig für Störungen durch die Exposition gegenüber Antibiotika. Um diese und andere potenzielle Nebenwirkungen sowie die Bildung von Resistenzen soweit es geht, zu vermeiden, müssen Nutzen und Risiken bei der Verordnung von Antibiotika sorgfältig abgewogen werden.

In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen und der Süddänischen Universität in Odense jetzt das Antibiotika-Verschreibungsverhalten von Ärzten in Deutschland und Dänemark unter die Lupe genommen. Als Grundlage dienten ihnen Daten aus dänischen Gesundheitsregistern sowie deutsche Krankenkassendaten.

Die Studienautoren haben insgesamt 798.883 Kinder aus Dänemark und 1.610.575 Kinder aus Deutschland, die zwischen 2004 und 2016 geboren wurden, in ihre Auswertung eingeschlossen. Dabei beobachteten sie, dass Kinder aus dem Geburtsjahrgang 2016 in Dänemark im Mittel nach etwa 21 Monaten das erste Mal ein Antibiotikum erhielten, während in Deutschland eine mediane Zeit von etwa 28 Monate bis zur ersten Antibiotikaverschreibung verstrich.

Zu viel Breitbandantibiotika für Kinder in Deutschland

Die Rate der Antibiotikabehandlungen lag in Dänemark bei 537 pro 1.000 Personenjahren und in Deutschland bei 433 pro 1.000 Personenjahren. „Besorgniserregend ist allerdings, dass etwa 40 Prozent der Kleinkinder in Deutschland Breitbandantibiotika als erstes Antibiotikum in ihrem Leben erhalten, während es in Dänemark nur 6 Prozent sind. Dies ist im Hinblick auf Nebenwirkungen und Resistenzen sehr bedenklich“, erklärte Dr. Oliver Scholle, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am BIPS, in einer Pressemitteilung.

„Der Ländervergleich erwies sich als besonders wertvoll. Da man davon ausgehen kann, dass sich das Infektionsgeschehen zwischen beiden Ländern nicht grundlegend unterscheidet, lassen die Ergebnisse Ansatzpunkte zur Verbesserung des Verschreibungsverhaltens erkennen“, ergänzte Prof. Ulrike Haug, Letztautorin der Studie und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS.

Sowohl in Dänemark als auch in Deutschland zeigten sich positive Entwicklungen beim Antibiotika-Verschreibungsverhalten über die Zeit. So stieg das Alter bei der ersten Antibiotikaverordnung im Geburtsjahrgang 2016 um 50 bis 59 Prozent, verglichen zum Geburtsjahrgang 2004. Darüber hinaus gingen die Raten der Antibiotikabehandlungen um 43 bis 44 Prozent zurück.

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