Anstieg von invasiven Streptokokken-Infektionen bei Kindern in Europa
Dr. Melanie SöchtigMaßnahmen wie die Maskenpflicht und Abstandsregeln haben während der Coronapandemie dazu geführt, dass auch andere Atemwegsinfektionen seltener auftraten. Jetzt wurde jedoch in mehreren europäischen Ländern ein Anstieg von invasiven Streptokokken-Infektionen vermeldet.
Dies geht aus einer Mittelung der Weltgesundheitsorganisation WHO vom 15. Dezember 2022 hervor. Die Meldungen kamen aus Frankreich, Irland, den Niederlanden, Schweden, Großbritannien und Nordirland. Gegen Ende des Jahres 2022 wurde in diesen Ländern ein Anstieg von invasiven Infektionen mit Gruppe-A-Streptokokken, die teils tödlich verliefen, beobachtet.
Betroffen waren vor allem Kinder im Alter von ein bis zehn Jahren. Für die Allgemeinbevölkerung stuft die WHO das Risiko insgesamt als niedrig ein.
Was sind Gruppe-A-Streptokokken?
Gruppe-A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes) sind Bakterien, die verschiedene Krankheiten beim Menschen verursachen können. Sie gehören zu den häufigsten Erregern von Infektionen, die von leichten bis hin zu schwerwiegenden Erkrankungen reichen können. Gruppe-A-Streptokokken werden durch direkten Kontakt mit infizierten Personen oder durch Tröpfcheninfektion übertragen.
Wie ist die Situation in Deutschland?
Da Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen in Deutschland gemäß Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig sind, liegen hierzulande nur begrenzte Daten vor. Um die Situation in Deutschland einschätzen zu können, hat das Robert Koch-Institut (RKI) zum Teil noch vorläufige Daten aus der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS), Übermittlungen nach Länderverordnungen sowie Daten des Nationalen Referenzlabors (NRZ) für Streptokokken analysiert.
„In diesen drei Datenquellen zeigt sich, dass während der COVID-19-Pandemie unter verstärkten Infektionsschutzmaßnahmen durchgehend weniger Gruppe-A-Streptokokken-Nachweise und Infektionen auftraten als präpandemisch beobachtet“, erklärte das RKI in einer Meldung vom 22. Dezember 2022.
Im vierten Quartal 2022 sei nun ein für die Jahreszeit ungewöhnlich steiler Anstieg von invasiven und nicht-invasiven Infektionen mit Gruppe-A-Streptokokken in allen Altersgruppen zu verzeichnen. Die Gesamtzahl der Erregernachweise für 2022 liegt laut RKI jedoch noch unter dem Niveau der präpandemischen Jahre 2017 bis 2019. Zudem sei das Verhältnis der invasiven Nachweise zu nicht-invasiven Gruppe-A-Streptokokken-Nachweisen relativ stabil. Das heißt, es werden in Deutschland aktuell nicht überproportional häufiger schwere Verläufe beobachtet.
Krankheiten, die durch Gruppe-A-Streptokokken verursacht werden
Gruppe-A-Streptokokken können eine Vielzahl von Erkrankungen verursachen, darunter:
- Streptokokken-Angina: Eine Entzündung des Rachens, die Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und geschwollene Mandeln verursacht.
- Scharlach: Eine Infektion, die durch ein Toxin von Gruppe-A-Streptokokken verursacht wird. Typische Symptome sind ein roter Hautausschlag, Fieber und Halsschmerzen.
- Hautinfektionen: Gruppe-A-Streptokokken können zu Hautinfektionen wie Impetigo (Grindflechte) führen, die durch Blasen, Wunden oder Hautläsionen gekennzeichnet sind.
- Cellulitis: Eine tiefergehende Hautinfektion, die Rötung, Schwellung und Schmerzen verursacht.
- Streptokokken-Pharyngitis: Eine akute Entzündung des Rachens, die ähnliche Symptome wie eine Streptokokken-Angina aufweist.
- Invasive Infektionen: In seltenen Fällen können Gruppe-A-Streptokokken auch schwerwiegende invasive Infektionen verursachen, wie z.B. Sepsis (Blutvergiftung) oder nekrotisierende Fasziitis (Fleischfressende Krankheit).
Diagnose und Behandlung on Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken
Die Diagnose von Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken erfolgt in der Regel durch klinische Untersuchungen, wie z.B. den Abstrich des Rachens oder der Hautläsionen. Laboruntersuchungen können den Erreger identifizieren und die Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika bestimmen.
Die Behandlung von Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken erfolgt in der Regel mit Antibiotika. Penicillin ist das bevorzugte Antibiotikum zur Behandlung von Streptokokken-Infektionen. Bei schweren oder invasiven Infektionen kann eine stationäre Behandlung erforderlich sein.
Was tun bei Verdacht auf Infektion mit Streptokokken der Gruppe A?
Gruppe-A-Streptokokken können ganz verschiedene Krankheitsbilder verursachen, darunter toxinvermittelte Erkrankungen wie Scharlach und lokale Infektionen des Rachens. Letztere äußern sich mit Halsschmerzen, Fieber, Schüttelfrost und Unwohlsein. Bei Kindern kann es auch zu Bauchbeschwerden und Erbrechen kommen. Treten Beschwerden einer Atemwegsinfektion auf, sollten Betroffene bis zum Aklingen der Symptome (mind. 3-5 Tage) zu Hause bleiben, Kontakte meiden und bei Bedarf ärztlichen Rat einholen.
Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) weist ausdrücklich darauf hin, dass trotz des Inzidenzanstiegs von Streptokokken-Infektionen keine Änderungen des Antibiotikaverordnungsverhaltens geboten sind. Laut der aktuellen AWMF-S3-Leitlinie sollten Antibiotika bei Halsschmerzen zurückhaltend eingesetzt werden.
Trotzdem erachtet die DGPI die aktuell eingeschränkte Verfügbarkeit von kindgerechten Antibiotika als besorgniserregend. Deshalb hat die Fachgesellschaft Empfehlungen zur antibiotischen Therapie bei Kindern im Rahmen des Versorgungsengpasses herausgegeben.
Prävention von Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen
Um Infektionen durch Gruppe-A-Streptokokken zu verhindern, werden folgende Maßnahmen empfohlen:
- Häufiges Händewaschen mit Seife und Wasser oder (in Umgebung mit entsprechendem Bedarf) Verwendung von Handdesinfektionsmitteln, um die Ausbreitung von Bakterien zu reduzieren.
- Abdecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Taschentuch oder der Armbeuge, um Tröpfcheninfektionen zu vermeiden.
- Vermeidung des direkten Kontakts mit infizierten Personen, insbesondere bei Hautinfektionen oder offenen Wunden.
- Regelmäßige Reinigung und Desinfektion von Oberflächen, die häufig berührt werden, um die Übertragung von Bakterien zu reduzieren.
- Vermeidung von engem Kontakt in überfüllten Bereichen, insbesondere während der Grippesaison oder bei Ausbrüchen von Infektionen.
- Einhaltung der Impfempfehlungen, insbesondere der Impfung gegen Streptokokken-Erkrankungen, um das Risiko von Infektionen zu verringern.