Juckende Dermatosen führen häufig zu psychischen Belastungen
Constanze PolenzPatienten, die an chronischem Juckreiz leiden, berichten häufig über Stigmatisierung. Eine europäische Kohortenstudie zeigt, wie sehr sich Intensität und Dauer von Juckreiz auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.
Warum Hautkrankheiten oft mit Juckreiz verbunden sind
Atopische Dermatitis, Urtikaria, Psoriasis, chronischer Prurigo und viele andere Hauterkrankungen sind von Juckreiz begleitet. Es ist das häufigste Symptom dermatologischer Patienten. Schätzungen zufolge leidet etwa jeder dritte Patient darunter, der zum Hautarzt geht. Bei vielen ist der Juckreiz chronisch und zieht sich über Wochen oder Monate hin.
Juckreiz kann, je nach Intensität, den gesamten Alltag beeinträchtigen. Tägliche, gute Hautpflege ist ein wichtiger Baustein in der Therapie, nimmt aber Zeit in Anspruch. Häufig ist die Konzentrationsfähigkeit durch den Juckreiz vermindert. Zum einen durch die Ablenkung durch den Reiz an sich und zum anderen durch Übermüdung. Denn nicht selten tritt der Juckreiz auch nachts auf und hält die Patienten vom Schlafen ab. Dieser Schlaf- und Konzentrationsmangel kann sich negativ auf das Arbeitsleben auswirken.
Juckreiz bei Hauterkrankungen verstärkt Stress
Wenn die Patienten dem Juckreiz nachgeben und kratzen, können Wunden entstehen. Die wiederum führen zu Schmerzen, zu neuem Juckreiz und möglicherweise auch zu Entzündungen. Viele Patienten schämen sich dafür, wie ihre Haut aussieht und dass sie sich ständig kratzen. Sie erfahren Stigmatisierung von außen durch andere, aber auch durch ihre eigenen Vorwürfe und Abwertungen. All diese Faktoren führen zu erhöhtem Stress und zu Einbußen in der Lebensqualität. Mitunter entwickeln Betroffene auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände, in extremen Fällen sogar Suizidgedanken.
Die multizentrische Querschnittsstudie der Europäischen Gesellschaft für Dermatologie und Psychiatrie (ESDaP-Studie II) hat jetzt die Zusammenhänge zwischen Juckreiz, wahrgenommenem Stress und wahrgenommener Stigmatisierung sowie psychischen Erkrankungen untersucht. Die Ergebnisse hat das Fachmagazin „Journal of the European Acadamy of Dermatology & Venereology” veröffentlicht.
Studie untersucht Stigmatisierung, Depression und Ängste durch juckende Hautkrankheiten
3.399 Patienten aus 17 europäischen Ländern haben an dieser Studie teilgenommen. Etwas mehr als die Hälfte waren weiblich und das Durchschnittsalter betrug rund 48 Jahre. Die Teilnehmer litten an 14 verschiedenen juckenden Hauterkrankungen. Sie füllten PROM-(Patient Reported Outcome Measures)-Fragebögen zu folgenden Bereichen aus:
Juckreiz-spezifische Angaben zu Häufigkeit, Intensität und Dauer
Auswirkungen auf die Lebensqualität, den Alltag, das soziale Leben, den Schlaf, die Stimmung und die Lebensfreude
Wie sehr sie im letzten Monat Stress empfunden haben
Wie sehr sie stigmatisiert wurden
Zum Zustand ihrer allgemeinen Gesundheit
Zu Depressionen und Angst
Psychologische Unterstützung bei juckenden Hautkrankheiten könnte hilfreich sein
„In der gesamten Gruppe war die Juckreizintensität signifikant positiv mit wahrgenommenem Stress, Stigmatisierung, Angstzuständen, Depressionen und juckreizbedingter Lebensqualität verbunden.“ Auch der allgemeine Gesundheitszustand verschlechterte sich mit Zunahme der Juckreizintensität. Diese Zusammenhänge bestehen aber nicht nur in einer Richtung: Juckreiz kann Stress verstärken und Stress kann wiederum Juckreiz verstärken.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie:
Drei von vier Teilnehmern gaben an, in den letzten 24 Stunden vor der Befragung Juckreiz gehabt zu haben. Vor allem Patienten mit chronischem Prurigo, Pruritus auf nicht-läsionaler Haut und atopischer Dermatitis.
Patienten mit chronischem Pruritus auf nicht-läsionaler Haut hatten auch die höchsten Werte bei der Dauer sowie bei der Intensität des Juckreizes.
Patienten mit Hidradenits suppurativa gaben die geringste Juckreizintensität an, aber den höchsten Stresswert. Zudem deuteten ihre Antworten am häufigsten auf Angstzustände hin.
Die stärkste Stigmatisierung empfanden Patienten mit bullösen Erkrankungen, die aktuell unter Juckreiz litten. Sie berichteten zudem über den schlechtesten allgemeinen Gesundheitszustand.
Auch Patienten mit Schuppenflechte und solche mit chronischem Juckreiz fühlten sich stark stigmatisiert.
Patienten mit Allergien oder Überempfindlichkeitsreaktionen gaben am häufigsten Werte an, die auf Depression hindeuteten.
Bei Rosacea-Patienten korrelierte der wahrgenommene Stress am stärksten mit der Juckreizintensität
Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie stark Juckreiz die Lebensqualität beeinträchtigt. Deshalb ist es so wichtig, die Versorgung von Patienten mit Juckreiz zu verbessern. Vor allem in Hinblick auf psychologische Interventionen, „um Stigmatisierung zu reduzieren und das Wohlbefinden zu fördern“, betonen die Studienautoren. „In Einzelfällen kann es von entscheidender Bedeutung sein, dass Dermatologen ihre Patienten an psychologische Fachkräfte überweisen.“
Quellen:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jdv.19913#