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Unter der Moderation von Susann Atwell (Fernsehjournalistin, im Bild mittig) diskutierten Dr. Katrin Schaudig (Gynäkologin, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft), André Kindling (Geschäftsführer Besins Healthcare Germany), Ildikó von Kürthy (Autorin), Georg Kippels (MdB), Diana Stöcker (MdB) und Heike Engelhardt (MdB) (v.l.n.r). 

Zu Beginn der Veranstaltung wurde eine Videobotschaft von Carolyn Harris (Mitglied des britischen Unterhauses) aus England eingespielt. Die Menopause-Aktivistin berichtete, wie die britische Politik auf den gesellschaftlichen und parlamentarischen Druck, Frauen in den Wechseljahren besser zu unterstützen, reagiert hat. So definiert beispielsweise die 2022 in Kraft getretene Women’s Health Strategy zentrale Felder der Frauengesundheitspolitik, darunter auch die Wechseljahre. 

Anschließend setzte Dr. Katrin Schaudig mit einem Vortrag zum weiblichen Zyklus, zu Wechseljahressymptomen und ihren Folgen sowie über Behandlungsmöglichkeiten einen wichtigen Impuls zum Auftakt der Podiumsdiskussion.

Unwissenheit über die Menopause ist groß

Der Mangel an Wissen über das Klimakterium ist groß. Da die Wechseljahre nach wie vor ein großes Tabuthema sind, ist die Mehrzahl der Frauen dementsprechend schlecht über die Menopause, potenzielle Symptome und deren Behandlungsmöglichkeiten informiert.

Aber auch innerhalb der Ärzteschaft herrscht Unwissenheit. Oft sind Hausärztinnen und Hausärzte die ersten Ansprechpartner, wenn Frauen unspezifische Gesundheitsprobleme haben. Doch die Wechseljahre sind im Grundstudium Medizin kein Thema und auch in der fachärztlichen Ausbildung bleiben sie ein Stiefkind der Gynäkologie. Hausärztlich tätige Ärztinnen und Ärzte können also in der Regel häufig gar keine entsprechende Differenzialdiagnose stellen. 

Diagnosetools, wie die international verwendete Menopause Rating Scale, sind unvollständig. Sie enthalten keine frühen Symptome (z. B. Kopfschmerzen, Gewichtszunahme am Bauch) und erschweren auch Gynäkologinnen und Gynäkologen die korrekte Diagnose. 

Viele Beschwerden in der frühen Menopause sind völlig unspezifisch, sodass sie – Schaudig zufolge – weder von Hausärztinnen und -ärzten noch von Gynäkologinnen und Gynäkologen als Menopause-bedingt wahrgenommen würden. In der Folge erleben viele Patientinnen eine Odyssee an Facharztbesuchen und Therapieversuchen ohne nennenswerten Erfolg. Viele Frauen bekommen aber auch dann keine adäquate Behandlung angeboten, wenn Symptome wie Hitzewallungen, Brainfog und Scheidentrockenheit eindeutig dem Klimakterium zuzuordnen sind. Zu sehr sei laut Schaudig noch bei vielen Ärztinnen und Ärzten die Einstellung im Kopf verankert, dass die Wechseljahre ein natürlicher Prozess seien und Frauen einfach da durch müssten. 

Doch für ein Drittel der Frauen ist das leichter gesagt als getan. Sie fühlen sich aufgrund klimakterischer Beschwerden massiv in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. So fasste Ildikó von Kürthy ihre eigenen Erfahrungen sinngemäß zusammen: Hitzewallungen sind wie Schmerzen. Sie tun zwar nicht weh, aber sie beherrschen das gesamte Denken und Handeln.

Vielzahl von Maßnahmen gegen Wechseljahresbeschwerden

Wechseljahresbeschwerden können durch eine Vielzahl von Maßnahmen gelindert werden. Dazu zählen unter anderem Yoga, Akupunktur, pflanzliche Arzneimittel, Ernährungsumstellung und Antidepressiva sowie die Hormonersatztherapie (HET). Dabei gilt es, für jede Patientin die für sie am besten geeignete(n) Behandlungsoption(en) herauszufiltern. Schwarz-Weiß-Denken sei an dieser Stelle nicht angebracht, so Schaudig. Man könne nicht pauschal sagen, alle Patientinnen bräuchten eine HRT. Aber genauso wenig könne man behaupten, keine Frau benötige eine Behandlung mit Hormonen.

Gute Beratung bei Wechseljahresbeschwerden wird nicht honoriert

Diagnose, Therapieauswahl, Gespräche und Aufklärung benötigen jedoch Zeit – ein rares Gut in der Arztpraxis. Obendrein können Frauenärztinnen und -ärzte für die Beratung von Patientinnen mit Wechseljahresbeschwerden weniger als 20 Euro pro Quartal abrechnen. Das ist viel zu wenig, um gut zu informieren.

Gesamte Gesellschaft ist von menopausal bedingten Symptomen betroffen

Wie weitreichend die Auswirkungen von menopausal bedingten Symptomen sind, zeigen die Ergebnisse der deutschen MenoSupport-Studie. Demnach beeinflussen sie massiv die Karriereentscheidungen betroffener Frauen. Mehr als ein Viertel der Frauen über 55 Jahre spielt aufgrund klimakterischer Beschwerden mit dem Gedanken, die Arbeitszeit zu reduzieren, fast jede fünfte über 55-Jährige zieht einen vorzeitigen Ruhestand in Betracht. Und das, obwohl viele dieser Frauen grundsätzlich gerne arbeiten, betonte Schaudig. 

So verliert die US-amerikanische Wirtschaft einer Studie der renommierten Mayo Clinic zufolge jährlich 1,8 Milliarden US-Dollar allein durch den Ausfall von Arbeitsstunden aufgrund von Wechseljahresbeschwerden. Für Deutschland gibt es noch keine vergleichbaren Zahlen; sie werden gerade erhoben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch hierzulande der Schaden massiv ist. Denn Frauen arbeiten überwiegend in den Bereichen, die am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen sind.

Erste Arbeitgeber reagieren bereits mit Menopause-Beauftragten

Um erfahrene, engagierte Frauen mit großem Fachwissen während der Wechseljahre nicht zu verlieren, müssen Unternehmen aktiv entsprechende Maßnahmen ergreifen. So erklärte André Kindling, dass Besins Healthcare genau aus diesem Grund eine Menopause-Strategie etabliert habe. Dazu gehören neben einer Menopause-Beauftragten, die sich innerhalb des Unternehmens für die Belange der betroffenen Frauen einsetzt, auch Informations- und Beratungsangebote durch externe Expertinnen. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Ruheräume, Homeoffice-Möglichkeiten und flexible Fristen bei Projektarbeit an. 

Insgesamt handelt es sich bei solchen Angeboten jedoch um einzelne Initiativen. Hier müssten, so Georg Kippels, die Kräfte aus Politik und zivilgesellschaftlichen Initiativen gebündelt werden.

Jetzt muss auch die Politik an das Thema Menopause ran

Von einer Menopause-Strategie kann in Deutschland nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Um Frauen in den Wechseljahren die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen, ist ein umfassendes, von der Bundesregierung gefördertes Programm zur Unterstützung von Frauen in den Wechseljahren notwendig, vergleichbar mit den auf die Wechseljahre bezogenen Aspekten der Women’s Health Strategy in Großbritannien. Deshalb soll der begonnene Dialog mit der Politik ausgebaut und zeitnah ein gemeinsamer Aktionsplan zur Verbesserung der aktuellen Situation erarbeitet werden. Alle drei anwesenden Mitglieder des Bundestages waren sich einig, dass Frauengesundheit ein wichtiges Fraktions- und Ressort-übergreifendes Thema ist und mehr Beachtung verdient.

Forderungen an die Gesundheitspolititk

So könnte die Situation von Frauen in den Wechseljahren verbessert werden

  • Breite Aufklärung für alle Frauen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, darunter beispielsweise ein Brief, der automatisch an alle Frauen ab 35 ausgesandt wird

  • Aufnahme von Frauengesundheit mit Schwerpunkt auf Wechseljahre in den Präventionskatalog des Gesundheitsministeriums

  • Regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen, unkomplizierter Zugang zu Fachärztinnen und -ärzten

  • Beratungsgespräch für alle Frauen ab 35 durch eine geschulte medizinische Person

  • Unterstützung für Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz

  • Umfangreichere Forschung

  • Bessere Ausbildung über die Wechseljahre im Medizinstudium, Vertiefung endokrinologischer Inhalte in der Facharztausbildung

  • Eigene Abrechnungsziffer für die Beratung und Therapie von Frauen in den Wechseljahren

Quelle:

Parlamentarischer Abend am 19. März 2024 in Berlin (Besins)