Geschlechtsspezifische Medizin: Mehr Hirnschäden nach der Menopause
Dr. Melanie SöchtigMit steigendem Alter treten bestimmte Anomalien im Hirngewebe, die als mögliche Risikofaktoren für Demenz und Schlaganfall gelten, gehäuft auf. Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) haben jetzt herausgefunden, dass das Ausmaß dieser Schäden bei Frauen nach der Menopause größer ist als bei gleichaltrigen Männern.
Bei den sogenannten „White Matter Hyperintensities“ (WMH) handelt es sich um Auffälligkeiten der weißen Hirnsubstanz, die in Magnetresonanztomografie (MRT)-Aufnahmen als helle Flecken imponieren. Sie sind insbesondere bei älteren Menschen zu finden und gelten als erste Anzeichen für Gewebeschäden, die mit Durchblutungsstörungen, erhöhtem Blutdruck, Schlaganfall und kognitiven Beeinträchtigungen in Zusammenhang stehen.
Bereits seit geraumer Zeit wird darüber diskutiert, ob Männer und Frauen in unterschiedlicher Weise davon betroffen sind. Neue Hinweise darauf, dass dies tatsächlich der Fall ist, hat jetzt die sogenannte Rheinland Studie – eine großangelegte Populationsuntersuchung des DZNE im Bonner Stadtgebiet – geliefert. Hierfür wurden die Daten von 1.437 Männern und 1.973 Frauen, von denen 1.167 (59,1 %) postmenopausal waren, verglichen. Die Altersspanne der Teilnehmenden lag zwischen 30 und 95 Jahren, das mittlere Alter bei etwa 54 Jahren.
Postmenopausale Frauen stärker betroffen
Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass WMH mit dem Alter und in Abhängigkeit vom Geschlecht zunimmt. Während es bei prämenopausalen Frauen und gleichaltrigen Männern keine signifikanten Unterschiede gab, waren Frauen nach der Menopause deutlich stärker betroffen als Männer der gleichen Altersklasse. Zudem wiesen postmenopausale Frauen mehr WMH auf als gleichaltrige Geschlechtsgenossinnen, bei denen die Menopause noch nicht eingetreten war. Unabhängig vom Status der Menopause beobachteten die Forschenden ein größeres Ausmaß an WMH bei Probandinnen mit unkontrollierter Hypertonie.
Die Ursachen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind unklar. Eine Hypothese besagt, dass das Hormon Östrogen eine schützende Wirkung haben könnte, die verloren geht, sobald der weibliche Organismus dessen Produktion mit den Wechseljahren nach und nach einstellt. Um diesem Verdacht nachzugehen, haben die Studienautoren untersucht, inwiefern sich eine Hormonersatztherapie auf das Auftreten von WMH auswirkt.
Dabei zeigte sich, dass postmenopausale Frauen, die regelmäßig Hormonpräparate einnahmen, im Durchschnitt ähnlich stark von WMH betroffen waren wie Frauen nach der Menopause, die keine Hormone zu sich nahmen. „Es ist unklar, ob die hormonelle Umstellung im Zuge der Menopause ein entscheidender Faktor ist oder ob Faktoren, die mit dem Einsetzen der Menopause zusammenhängen, eine Rolle spielen. Diesem Thema werden wir in der Rheinland Studie weiter nachgehen“, so Prof. Monique M. B. Breteler, Leiterin der Rheinland Studie und Direktorin für Populationsbezogene Gesundheitsforschung am DZNE.