Arztpraxis: Abrechnungsbetrug mit Medizinstudenten
A&W RedaktionDer Einsatz von Medizinstudierenden ist in Arztpraxen und Kliniken üblich. Allerdings müssen Praxisinhaber bei der Abrechnung der Leistungen aufpassen. Sonst werden sie schnell mit dem Vorwurf des angeblichen Betrugs im Gesundheitswesen konfrontiert. Ein Thema, für das auch die Kassenärztlichen Vereinigungen sensibilisieren wollen, denn die Fälle nehmen zu.
Morgens standen sie bereits vor der Praxis, zwei Kleintransporter der Polizei. Uniformierte Polizisten legten einen Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft vor. Das cholerische Poltern des Praxisinhabers machte es nur schlimmer. Computer und Unterlagen wurden beschlagnahmt, Patienten und Personal blieben verwirrt zurück. Der Vorwurf: Abrechnungsbetrug der Praxis gegen die Krankenkasse. Der Schaden für das Ansehen der Praxis war immens.
Verdacht des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen
Das ist natürlich der denkbar ungünstigste Fall einer „Razzia bei Ärzten“ – und es sind meist nur diese seltenen Fälle, die sich herumsprechen. Die Mehrzahl der Strafverfahren läuft dagegen leise und für Dritte unbemerkt ab, zuweilen aber mit schmerzhaften, teuren Folgen für Ärzte. Zugleich ist die Liste möglicher Strafverfolgungsgründe lang. Tatsächlich kann sich ein Praxisinhaber schnell Ärger mit der Krankenkasse und in Folge auch mit der Staatsanwaltschaft einhandeln. Wird nämlich die in der Praxis erbrachte Leistung bei der Abrechnung nicht korrekt wiedergegeben, steht schnell der Vorwurf des Abrechnungsbetrugs im Gesundheitswesen im Raum.
Die Abrechnungsskandale, in die einige ambulante Pflegedienste verwickelt waren, sind Medizinern eigentlich bekannt. Das Bundeskriminalamt in Berlin gibt jedes Jahr eine entsprechende Statistik heraus, die darüber informiert, wie hoch der entsprechende Schaden im Gesundheitswesen in diesem Jahr ausgefallen ist. Da das Thema Vergütung und Abrechnung bei Ärzten ohnehin ein sensibles ist, sollte man eigentlich davon ausgehen, dass bei der Abrechnung der Leistungen gegenüber der Kasse sehr vorsichtig agiert wird. Doch die Erfahrung zeigt: schon mit kleinen Unachtsamkeiten beim Thema Vergütung hat man schnell die Staatsanwaltschaft am Hals. Besonders kritisch ist die Kombination Medizinstudent und Geld.
Medizin-Studenten im Praktischen Jahr
Grund dafür kann der Einsatz von Medizin-Studenten im Praktischen Jahr (PJ) sein. Die Studierenden sind nicht approbiert und damit keine Ärzte. Dennoch setzen Ärzte sie gerne schon als solche ein und rechnen ihre Leistungen bei der Kasse ab. In vielen Fällen bereiten die Studierenden Untersuchungen vor, führen einzelne Eingriffe beim Patienten durch. Dass sie solche Leistungen erbringen, ist auch in Grenzen zulässig. Nach der ärztlichen Approbationsordnung sollen die Medizin-Studenten sogar „entsprechend ihrem Ausbildungsstand unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung des ausbildenden Arztes ihnen zugewiesene ärztliche Verrichtungen durchführen,“ § 3 Absatz 4 Satz 3 ÄApprO. Es gibt also gesetzliche Vorgaben. Allerdings zieht die Krankenkasse die Grenzen mitunter deutlich enger als der Arzt oder der Pflegedienst.
Problematisch wird es spätestens dann, wenn der Student vollständig die Arbeit des Arztes übernimmt und ohne jegliche Aufsicht den Patienten betreut und sogar die komplette Behandlung übernimmt. Das schlägt sich so natürlich nicht in der Abrechnung wieder, hier ist immer noch der Arzt offiziell derjenige, der die Leistung erbracht hat. Ist dieser Fall so selten? Die Kassen gehen davon aus, dass das nicht der Fall ist und schauen deshalb genauer hin. Schnell geraten Praxisinhaber da unter Verdacht, sich Geld erschlichen zu haben.
Ein Beispiel: Der Student erhebt bei länger bekannten, lediglich verschnupften Patienten nach einer Beratung die Anamnese, misst Vitalparameter, bereitet Rezepte vor. Der Arzt unterschreibt, ohne die Patienten gesehen zu haben und die Maßnahmen des Studenten zu kontrollieren.
Rechnet der Arzt in diesem Fall die Leistung am Versicherten bei der Kasse ab, so kann das den Straftatbestand des Abrechnungsbetrugs erfüllen! Der weiße Kittel mag den PJ wie einen Arzt aussehen lassen, der Arzt selbst hat aber keine eigene Leistung erbracht. Vielleicht sind die Patienten noch zufrieden; spätestens deren Krankenkassen sind es nicht und wittern Betrug. Manchmal fliegt das auf. Auf weitere Probleme der ärztlichen Aufklärung, Einwilligung und Haftung möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst eingehen!
Der Einsatz der PJ ist zulässig – aber nur in Grenzen! Und mal ehrlich: Würden Sie wollen, dass Jurastudierende Ihr Verfahren allein vor Gericht führen?
Nicht gewusst?
Unwissenheit schützt auch beim Abrechnungsbetrug, aber nicht vor Strafe. So handeln Sie nur dann ohne Schuld, wenn Sie den Irrtum nicht vermeiden konnten! Vermeiden Sie ihn, indem Sie nachfragen – zum Beispiel bei Ihrer Ärztekammer oder einem Anwalt. Informieren Sie sich daher über die Grenzen des Einsatzes der Medizinstudenten und seien Sie bei der Abrechnung besonders vorsichtig.
Der Autor: Dr. Andreas Staufer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei Staufer Kirsch GmbH. Dr. Andreas Staufer beschäftigt sich mit rechtlichen Fragen rund um Datenschutz, IT und Neuen Technologien in der Medizin. Das umfasst auch Apps und Medizinprodukte. Er ist Lehrbeauftragter und gefragter Referent.