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Finanzen

Herr Kaim, in den vergangenen Jahren waren die Blicke der Anleger vor allem auf die Inflation gerichtet. Müssen wir weiter zittern?

Franz Kaim: Die gute Nachricht ist sicherlich, dass die Notenbanken mit ihrer aggressiven Zinswende die Inflation ein gutes Stück nach unten gebracht haben. Ich gehe aktuell davon aus, dass die Teuerungsrate in nächster Zeit weiter zurückgehen wird, aber es wird womöglich noch etwas dauern, bis wir die Zielmarke der Notenbanken von zwei Prozent erreicht haben.

Was bedeutet das für die Wirtschaft?

Kaim: Das sind zunächst einmal gute Nachrichten. Denn Sie müssen bedenken, dass wir Arbeitskräftemangel haben und die Löhne steigen, und wenn die Inflation nun sinkt, erhöht das die Kaufkraft der Verbraucher.

Gleichzeitig droht aufgrund der Zinserhöhungen aber eine Rezession…

Kaim: Zwar preisen die Märkte aktuell ein Soft Landing ein, also eher eine konjunkturelle Abkühlung und keine Rezession, dennoch werden wir, da durch die Zinsen die Finanzierungskosten stark gestiegen sind, mit einem schwächeren Wachstum rechnen müssen. Und das kann die Unternehmensgewinne beeinträchtigen, weshalb es vor allem für Aktien und bei Hochzinsanleihen noch einmal turbulent werden kann.

Ist denn im kommenden Jahr auch mit fallenden Zinsen zu rechnen?

Kaim: Bezüglich der Inflation bin ich optimistisch und deshalb dürften die Notenbanken mit ihren Zinserhöhungen fertig sein. Davon ist auch deshalb auszugehen, weil die Geldpolitik auf die aktuell noch vorhandenen Inflationstreiber wie die Energiepreise und die Löhne keinen direkten Einfluss hat. Aber die Zinsen werden längere Zeit auf dem erhöhten Niveau bleiben. Mit einer Senkung sollten Anleger frühestens im Laufe der zweiten Hälfte des kommenden Jahres rechnen.

Insgesamt klingt das alles ermutigend für Anleger…

Kaim: Ich bin in der Tat für Aktien sowie auch für sichere Anleihen optimistisch. Denn das Umfeld ist für Unternehmen, sofern es nicht zu einem exogenen Schock wie einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten kommt, nicht schlecht. In der Vergangenheit führte ein inflationäres Umfeld bei vielen Unternehmen übrigens auch zu ansprechenden Gewinnzuwächsen. Und das wäre auch der Nährboden für weitere Kursgewinne.

Checkliste: Wo finde ich gute ETFs und Fonds und worauf sollte man achten?

Wer sich für das kommende Jahr positionieren möchte, kann selbst im Internet nach passenden Exchange Traded Funds (ETFs) oder Investmentfonds suchen. Dafür gibt es inzwischen eine Vielzahl an Websites, auf denen sich Anleger informieren können. Eine wichtige Adresse ist hier morningstar.de. Das Fondsanalysehaus bietet tiefgreifende Informationen zu sämtlichen hierzulande verfügbaren ETFs und Fonds. Dazu kommen weitere bekannte Websites wie onvista.de, finanzen.net, stock3.com, fondsweb.de oder boerse.de. Speziell auf ETFs haben sich extraetf.com und justetf.com spezialisiert.

Den richtigen Fonds oder ETF zu finden, ist aber auch nicht ganz einfach. Hier eine kurze Checkliste:

  • Den Index, der einem ETF zugrunde liegt, genau ansehen
    „Man sollte sich stets die Frage stellen, ob der entsprechende ETF auch zur eigenen Anlagestrategie und zur Portfolioallokation passt“, sagt Anton Vetter von der BV & P Vermögen AG in Kempten. Wer breit gestreut zum Beispiel in den MSCI World investiert, muss sich im Klaren darüber sein, dass dieser zu rund zwei Dritteln aus US-Aktien besteht. Bei Themen- oder Branchen-ETFs zum Beispiel enthalten nur wenige Titel, womit einzelne Aktien auf einen sehr hohen Anteil am entsprechenden Index kommen können. Auch das kann Risiken mit sich bringen.
  • Das ETF- oder Fondsvolumen
    Nach Ansicht von Anton Vetter lohnt es sich auch darauf bei ETFs einen Blick zu werfen. „Denn das beeinflusst die Handelbarkeit und je besser diese ist, desto geringer sind die Spreads, also der Unterschied zwischen An- und Verkaufskurs, was letztlich auch zu den Kosten zählt“, so Vetter weiter. Aber auch bei Investmentfonds spielt es eine Rolle. Hat ein Fonds nur fünf oder zehn Millionen Euro, die er verwaltet, dann ist die Gefahr groß, dass dieser eines Tages geschlossen oder mit einem anderen Fonds verschmolzen wird.
  • Die Kosten
    Grundsätzlich liegt ein Vorteil von ETFs in den niedrigen Kosten. Zwar gibt es auch zwischen einzelnen ETFs Kostenunterschiede, jedoch sind diese gering und können eher vernachlässigt werden. Das ist bei Investmentfonds anders. Hier können Gesamtkosten, in der Regel als Total Expense Ratio ausgewiesen, von zwei Prozent und mehr anfallen. Hat ein Anleger die Wahl zwischen zwei gleichwertigen Fonds, lohnt sich der Kostenvergleich. Schließlich belasten die Kosten die Rendite und die muss ein Fondsmanager auch erst einmal mit seinen Investments verdienen.
  • Die Performance
    In der Regel achten Anleger gerne auf die Wertentwicklung, wenn sie Produkte miteinander vergleichen. Jedoch gibt es keine Garantie, dass sich eine positive Wertentwicklung auch in der Zukunft fortsetzt. So kann es bei Investmentfonds, die in der jüngeren Vergangenheit ganz oben stehen, sein, dass der Fondsmanager sehr hohe Risiken eingegangen ist.
  • Risikokennziffern
    Dazu zählen die Volatilität, also die Wertschwankungen eines Fonds, der Maximum Drawdown, das ist der maximale Verlust in einer bestimmten Periode, und die Sharpe Ratio. Letztere gibt an, wie hoch die eingegangenen Risiken eines Fonds in Relation zur Mehrrendite gegenüber dem risikofreien Zinssatz waren. Je höher diese Kennzahl ausfällt, desto besser die Wertentwicklung des Fonds in Relation zum eingegangenen Risiko. Der zusätzliche Charme dieser Kennzahl: Damit lassen sich auch Fonds unterschiedlicher Kategorien miteinander vergleichen. Entscheidend ist aber, dass Anleger mit solchen Risikokennziffern feststellen können, ob ein bestimmter Fonds oder auch ETF zum eigenen Risikoempfinden passt.

Autor: Gerd Hübner