Praxismiete: OLG Frankfurt stärkt Rechte von Kanzlei- und Praxisinhabern
Marzena SickingÄrzte, die ihre Praxis gemietet haben, können vom Vermieter verlangen, dort eine ungestörte Arbeitsatmosphäre vorzufinden. Das gilt auch dann, wenn der Eigentümer seine Immobilie kernsanieren möchte.
Das Verhältnis zwischen Ärzten und Rechtsanwälten ist mitunter nicht ganz einfach – schließlich sind Juristen vielfach ein Grund dafür, dass Mediziner mit immer neuen bürokratischen bzw. nicht ärztlichen Aufgaben belastet werden.
Manchmal allerdings profitieren Praxisinhaber aber auch von der Tätigkeit der Rechtsgelehrten – und sei es nur mittelbar. Jüngstes Beispiel für einen solchen Fall ist ein Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.
Zwischen Presslufthammer und Abrissbirne
Eine Anwaltskanzlei hatte sich hier erfolgreich gegen die Sanierung des Kanzleigebäudes durch ihren Vermieter gewehrt, die unter anderem den Abbruch massiver Innenwände im Erdgeschoss und andere Maßnahmen zur Entkernung des Gebäudes umfasste. Das Gericht entschied: Die durch derartig umfassende Baumaßnahmen entstehenden Immissionen seien dem Mieter nicht zuzumuten, den geplanten Abbruch sämtlicher Zwischenwände in allen Stockwerken und die damit einhergehenden erhebliche Belästigungen und Erschütterungen müsse die Kanzlei nicht dulden (OLG Frankfurt, Az. Az. 2 U 3/19).
Das Gericht argumentierte unter anderem mit dem vertraglichen Nutzungszweck der Räume, in denen es möglich sein müsse, zusammenhängende geistig-gedankliche Tätigkeiten ungestört zu verrichten. Störungen durch Lärm, Erschütterungen, Staub, Verschmutzungen oder sonstige Immissionen seien daher zu unterlassen, zumal es sich im konkreten Fall auch nicht um gewöhnliche Renovierungs- und Umbauarbeiten handle, die ein Mieter etwa bei einem Mieterwechsel hinzunehmen habe.
Die Kanzlei müsse die Umbaumaßnahmen noch nicht einmal zeitweise, etwa außerhalb der üblichen Bürozeiten oder zu bestimmten Nachtzeiten oder am Wochenende dulden. Es sei „gerichtsbekannt, dass Rechtsanwälte nicht nur während üblicher Geschäftszeiten, sondern regelmäßig auch in den späten Abendstunden sowie an Samstagen und mitunter auch an Sonn- und Feiertagen in den Büroräumen arbeiteten oder Besprechungen durchführten“. Dies stehe ihnen völlig frei und sei im Übrigen nicht planbar.
Übertragung auf Arztpraxen
Das Urteil dürfte sich ohne Weiteres auf Arztpraxen übertragen lassen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Unter Umständen könnte das Schutzbedürfnis von Praxisinhabern sogar noch höher sein, als das des Inhabers einer Anwaltskanzlei, da Baustaub und die hygienischen Anforderungen des Medizinbetriebs nicht gut zusammenpassen.
Auch die Tatsache, dass Ärzte naturgemäß gesundheitlich angeschlagene Menschen versorgen und mit diesen zum Teil sehr persönliche Gespräche führen müssen, deutet darauf hin, dass Praxismieter erfolgreich gegen eine Entkernung des Gebäudes vorgehen könnten, in dem sich ihre Räumlichkeiten befinden. Alternativ dürften die Aussichten, eine Mietminderung durchzufechten, ebenfalls sehr gut stehen.
Das gilt umso mehr, als Ärzte, ebenso wie Anwälte, regelmäßig außerhalb der regulären Sprechzeiten in der Praxis arbeiten müssen: Sei es, weil es Verwaltungsaufgaben zu erledigen gilt, ein Notfall zu versorgen ist – oder der turnusmäßige Bereitschaftsdienst ansteht.