Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Honorare

Die hohe Belastung des Arztberufes wird durch eine große Berufszufriedenheit und überdurchschnittliche Einkommensmöglichkeiten ausgeglichen. So jedenfalls das Fazit des „Ärztemonitors 2018“*, den KBV und NAV-Virchow-Bund gemeinsam vorgestellt haben. „Wir haben eine hohe Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Situation festgestellt“, bestätigt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes.

Tatsächlich sind 14 Prozent der Befragten „sehr zufrieden“ mit ihrer wirtschaftlichen Situation, 55 Prozent immerhin „eher zufrieden“. Als „eher unzufrieden“ sehen sich 22 Prozent und nur 5 Prozent sind „sehr unzufrieden“. Im Vergleich zu den Befragungen der vergangenen Jahre ist hier eine sehr positive Entwicklung zu verzeichnen. Auch die Zufriedenheit mit dem monatlichen Einkommen steigt bei Hausärzten und Fachärzten seit 2012 deutlich an.

Hausärzte mit Einkommen zufriedener als Fachärzte

Besonders bemerkenswert sei dabei, dass Hausärzte in der Einkommenszufriedenheit aufschließen (74 Prozent sind sehr bzw. eher zufrieden) und die fachärztlichen Kollegen (64 Prozent) sogar überholt haben. Bei den Fachärzten wird allerdings deutlich, dass es in der wohnortnahen Grundversorgung auch erheblichen Nachholbedarf gibt. Hier liegen die Kinderärzte (minus 11 Prozentpunkte), die HNO-Ärzte (minus 12 Prozentpunkte), die Orthopäden (minus 12 Prozentpunkte) und die Chirurgen (minus 14 Prozentpunkte) deutlich hinter den Durchschnittswerten.

Der Grund dafür sei die Budgetierung, so Heinrich. Die Entbudgetierung aller Grundleistungen in der wohnortnahen fachärztlichen Versorgung sei längst überfällig: „Unser Ziel ist das Ende der Budgetierung, weil es – auch in einem Berufsstand mit hoher Zufriedenheit – auf die Dauer nicht vermittelbar ist, für volle Leistung nur 70 Prozent der Vergütung zu erhalten.“

Freiberuflichkeit schafft Zufriedenheit

Wie die Umfrage weiter zeigt, trägt neben der wirtschaftlichen Zufriedenheit die Tatsache, dass niedergelassene Ärzte Freiberufler sind, zum positiven Berufsbild bei. Ohne Weisungen Dritter nur den Patienten verantwortlich und in der übergroßen Mehrheit selbstständig tätig zu sein, in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen, sorgt bei den befragten Ärzten für große Zufriedenheit.

Doch genau hier ist die Berufsszene besonders im Wandel: Die Zahl der angestellten Ärzte nimmt zu, genauso wie die Zahl der MVZ ansteigt. Vor zehn Jahren waren gerade einmal fünfeinhalbtausend Ärzte in Praxen, Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und ähnlichen Einrichtungen angestellt. Heute sind es rund 32.000. In Einzelpraxen arbeiten 90 Prozent der Ärzte in Vollzeit, in MVZ sind es nur 50 Prozent. „Wir haben es also absehbar weniger mit einem Mangel an Ärzten, sondern in erster Linie mit einem Mangel an ärztlicher Arbeitszeit zu tun“, erklärt Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender des Vorstands der KBV.

„Daraus ergibt sich der Schluss, dass mit MVZ und angestellten Ärzten allein die Versorgung nicht aufrechterhalten werden kann. Die selbstständig geführte Praxis – einzeln oder als Kooperation – muss demnach gefördert werden, um bei gleichbleibender Arztzahl die Versorgung sicherzustellen“, so Dr. Dirk Heinrich. Das gelte umso mehr bei sinkenden Arztzahlen.

Investoren setzen auf MVZ – können Vertragsärzte noch mithalten?

Zugleich erlebe man eine immer stärkere Rationalisierung und Industrialisierung in diesem Bereich: „Es entstehen immer mehr MVZ mit mehr als 50 angestellten Ärzten. MVZ-Betreiber kaufen im großen Stil Arztsitze auf. Immer mehr Krankenhäuser gründen eigene MVZ.“ Als ein weiteres Warnsignal müsse man das Interesse von Investoren aus dem In- und Ausland sehen, die MVZ-Konstrukte als lukratives Einfallstor in die ambulante Versorgung in Deutschland sehen. Hier müsse der Gesetzgeber die Zulassungsmöglichkeiten und Rahmenbedingungen noch einmal kritisch überprüfen. Ziel müsse es sein, die Selbstständigkeit durch Vertragsärzte zu privilegieren.

Ärzte arbeiten im Schnitt heute weniger

Obwohl der Druck auf Ärzte steigt, sinkt ihre Arbeitszeit. Im Schnitt ist sie seit der ersten Erhebung im Jahr 2012 von rund 57 Stunden in der Woche auf jetzt gut 51 Stunden gesunken. Immer noch viel, verglichen mit einem normalen Büroangestellten, aber immerhin ein Rückgang von über zehn Prozent in nur sechs Jahren.

Hierfür gibt es mehrere Gründe, wie Dr. Andreas Gassen meint. Zum einen sei die „Neigung zur Selbstausbeutung auch unter Ärzten heutzutage nicht mehr so ausgeprägt ist wie noch vor zwanzig Jahren“. Der Generationenwechsel dürfte hierbei eine Rolle spielen und damit auch veränderte Lebensmodelle. Und natürlich der Trend, dass sich jüngere Ärzte lieber anstellen lassen, anstatt sich mit einer Praxis selbstständig zu machen.

Dieser Trend werde durch die Politik zusätzlich getriggert. Diese fördere einerseits Strukturen wie das MVZ, das in erster Linie mit angestellten Ärzten arbeitet, und drangsaliere gleichzeitig die selbstständigen Praxisinhaber mit immer neuen Regelungen. „Das“, so Gassen,“führt bei vielen Kollegen zu der Frage, ob sie den Laden, salopp gesagt, nicht doch lieber früher als später dichtmachen sollen.“

*Das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (infas) führt für den „Ärztemonitor“ regelmäßig Telefoninterviews mit Tausenden per Zufallsverfahren ausgewählten Ärzten und Psychotherapeuten durch.