Krankenhauszukunftsgesetz: Digitale Projekte erfolgreich umsetzen
A&W RedaktionGeht es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen, zählt Deutschland im internationalen Vergleich zu den Schlusslichtern. Dabei ist es gerade in Krankenhäusern wichtig, Prozesse zu digitalisieren, um Mitarbeitende zu entlasten und die Zeit für die Pflege zu erhöhen.
Die Digitalisierung und Modernisierung in Krankenhäusern vorantreiben, Arbeitsabläufe vereinfachen und Beschäftigte entlasten, um mehr Zeit für die Patientenversorgung zu generieren. Das ist das Ziel des im Juli 2020 beschlossenen Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG). Diesen Sommer wurde die Frist für Digitalprojekte verlängert. Bisher war vorgeschrieben, dass die geförderten KHZG-Projekte bis Ende 2024 umgesetzt sein müssen, künftig genügt die Beauftragung innerhalb dieser Frist. Denn was Digitalisierung angeht, haben Krankenhäuser in Deutschland viel aufzuholen. „Nach vielversprechenden Anfängen fiel Deutschland seit der Jahrtausendwende immer weiter zurück und zählte laut internationaler Studien zuletzt eher zu den Schlusslichtern im europäischen Vergleich“, heißt es in einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung.
Komplexe Strukturen verlängern Digital-Projekte
Bereits verstärkt Digitalisierungs-Projekte umgesetzt hat die Asklepios-Gruppe, von der digitalen Patientenakte bis zur offenen Entlass-Management-Plattform. Mit Beginn der Pandemie entstand zudem dringender Bedarf an digitalen Weiterbildungsformaten. „Digitales Lernen gab es zwar schon länger im Konzern, doch die einzelnen Kliniken arbeiteten mit ganz unterschiedlichen Lösungen, das war weder übersichtlich noch wirtschaftlich“, berichtet Projektleiter Dr. Christoph Jermann.
So ist ein Projekt entstanden, mit dem Ziel, eine standardisierte digitale Lösung zu finden, in der sich konzernübergreifend sämtliche Lernszenarien und Lernformate vereinen lassen. Mehr als zwei Jahre vergingen, bis im vergangenen Sommer rund 43.000 Asklepios-Mitarbeitende Zugang zur imc Learning-Suite erhielten, einer digitalen Lernplattform, die intern in ASKnow umbenannt wurde.
„Die lange Projektdauer lag zum einen an einer komplexen Konzernstruktur mit vielen unterschiedlichen Einheiten, Berufsgruppen oder Zuständigkeiten. Zum anderen an den in der Branche üblichen, besonderen Rahmenbedingungen und in der Folge aufwendigen Datenschutzprüfungen und Mitbestimmungsverfahren“, erläutert Jermann. Dazu kamen technische Herausforderungen, wie etwa die Bereitstellung einheitlicher Personaldaten, der Datenimport ins System oder die Gewährleistung einer Einmal-Anmeldung, über die Benutzer sich auf sichere Weise in mehreren IT-Anwendungen gleichzeitig authentifizieren können.
Mithilfe einer vorherigen Kommunikations-Kampagne hat die Asklepios-Gruppe inzwischen erreicht, dass sich das neue Lernmanagementsystem bei den Mitarbeitenden etabliert hat. „ASKnow kann Beschäftigte dabei unterstützen, ihren Dokumentationspflichten zu den teils gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht-Schulungen mit deutlich geringerem Aufwand nachzukommen. Darüber hinaus lässt sich mit einfachen Mitteln ein Wissensmanagement entwickeln, das auf einer einzigen Plattform Zugriff auf alle relevanten Lerninhalte bietet. Zeitraubende und fehleranfällige händische Prozesse gehören damit der Vergangenheit an“, so das Fazit von Projektleiter Christoph Jermann.
Qualitätsmanagement als großer Hebel für mehr Effizienz
Sven R. Becker kennt die Herausforderungen, die digitale Projekte im Gesundheitswesen mit sich bringen. Der Vorstand der Saarbrücker imc AG berät unter anderem Unternehmen und Organisationen aus dem Medical Care Bereich bei der Planung und Umsetzung digitaler Trainingsstrategien. „Was Digitalisierung angeht, steht die Gesundheitsbranche noch am Anfang. Vor allem im Vergleich zu anderen Industrien, die bereits tiefgreifende Veränderungsprozesse hinter sich haben. Viele Krankenhäuser und Träger sind dem aktuellen Stand um mindestens 20 Jahre hinterher“, berichtet Becker von seinen Erfahrungen.
Die noch fehlende digitale Transformation in medizinischen Einrichtungen hänge zu einem großen Teil mit verlangsamten Prozessen bei Abstimmungs- und Mitbestimmungsverfahren zusammen. Aber auch unterschiedliche Interessenlagen sowie fehlende „Governance“, also das Nicht-Vorhandensein einheitlicher Grundsätze zur Unternehmensführung, erschwere den digitalen Wandel in Krankenhäusern. In einem häufig von Überlastung der Beschäftigten geprägten Klinikalltag sei es schwierig, neue IT-Systeme einzuführen und Mitarbeitende darauf zu schulen. „IT-Abteilungen führen in Krankenhäusern oft ein Schatten-Dasein“, sagt Becker.
Qualitätsmanagement in Kliniken digitalisieren
Ein häufiges Vorurteil aus dem Management sei, dass Digitalisierung viel Geld koste und für den Einzelnen wenig bringe. „Dabei wird übersehen, dass sich durch digitale Unterstützung vor allem Zeit gewinnen lässt – in der Pflege ein nicht unerheblicher Faktor, wenn nicht der, an dem es momentan am meisten mangelt“, betont der Experte.
Becker rät Klinikbetreibern vor allem dazu, ihr Qualitätsmanagement zu digitalisieren. Seiner Ansicht nach liegt hier ein sehr großer Hebel, bürokratischen Aufwand zu reduzieren und mehr Zeit für die Pflege zu gewinnen. „Ob Zertifizierungen, die regelmäßig erneuert werden müssen oder gesetzlich vorgeschriebene Pflichtschulungen für medizinisches Personal: Es macht vor allem bei Audits einen Unterschied, ob die Nachweise meterlange Ordnerwände füllen oder digital in einem validierten System abgebildet sind.“ Damit Digitalprojekte gelingen, müsse vorab geklärt werden, wer alles Interesse an dem Projekt haben könnte, wer fachlich, finanziell und operativ verantwortlich ist – und welche Vorbehalte es geben könnte. „Digitale Projekte brauchen Ownership“, resümiert er, „alle Beteiligten müssen sich für den Erfolg verantwortlich fühlen.“
Autorin: Silke Blumenröder