Honorar der Leichenschau – viel erreicht?
Dieter JentzschMit der Neuregelung zur amtlichen GOÄ, die der Bundesrat erlassen hat, entsprach er auf den ersten Blick den vielfachen Interventionen der ärztlichen Standesorganisationen: Endlich war in der GOÄ ein „gerechtes“ Honorar für die Leichenschau verankert.
Immerhin wird jetzt unterschieden: Nummer 100 ist ansetzbar für eine „Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer vorläufigen Todesbescheinigung …“, dafür wird der Festbetrag von 110,51 € bezahlt. Bemerkenswert ist die geforderte Mindestdauer von 20 Minuten. Werden nur zehn Minuten benötigt, können auch nur 60 Prozent des Honorars, also 66,31 € berechnet werden.
Bei Nummer 101, der „Eingehenden Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung …“ werden 165,77 € vergütet. Hier wird eine Mindestdauer von 40 Minuten verlangt. Benötigen Ärzte für eine Leistung nach Nummer 101 nur 20 Minuten, sind wiederum nur 60 Prozent, also 99,46 € berechenbar.
Neu ist der Zuschlag nach Nr. 102 für die Leichenschau bei einer unbekannten Leiche und/oder besonderen Todesumständen, für deren Ansatz mindestens zusätzliche zehn Minuten nachgewiesen werden müssen.
Eine Einordnung
Das gegenüber den GOÄ-Sätzen der Vergangenheit vervielfachte Honorar muss aber angesichts der Begleitumstände relativiert werden. Wurde früher die Besuchsgebühr für das Aufsuchen von Toten zwecks Leichenschau in einigen Bundesländern fraglos akzeptiert, ist nun neben den GOÄ-Nummern 100 und 101 ausdrücklich formuliert „ohne Aufsuchen“. Wer jetzt glaubt, für das Aufsuchen gebe es ja die Besuchsgebühr, der irrt. Das Prinzip, wonach neben der Todesbescheinigung resp. Leichenschau kein Besuch berechenbar ist, wird durch diesen Hinweis nicht aufgehoben, sondern im Gegenteil, unterstrichen.
Die Bundesratsbegründung zur 5. Änderungs-VO umschreibt nämlich, dass jeweils 30 Minuten für die An- und Abfahrt im (nachgebesserten) Honorar bereits enthalten sind. Zugleich wird ausdrücklich klargestellt, dass Besuchsgebühren neben den Leistungen nach den Nummern 100 bis 102 nicht angesetzt werden dürfen.
Wenigstens werden die Wegegelder und Reiseentschädigungen aus den §§ 8 und 9 der GOÄ durch die 5. Änderungs-VO ausdrücklich ermöglicht.
Weiter dürfen auch die Zuschläge für besondere Zeiten, also nachts oder an Sonn- und Feiertagen, nicht jedoch „E = dringend ausgeführt…“ angesetzt werden.
Die Tabelle zeigt ein Beispiel dafür, wie seit Anfang 2020 die Abrechnung der Leichenschau verbindlich geregelt wurde. Konkret geht es um eine Leichenschau samstagnachts, 23:30 Uhr, bei einem nicht bekannten Patienten. Zudem wurden besondere Todesumstände zugrunde gelegt.
Nummer | Beschreibung in der GOÄ | Betrag |
---|---|---|
101 | Eingehende Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung | 165,77 € |
102 | Zuschlag zu den Leistungen nach den Nummern 100 und 101 bei unbekannter Leiche und/oder besonderen Todesumständen | 27,63 € |
§ 8 | Wegegeld nachts (in diesem Fall die kleinste Stufe) | 7,16 € |
GOÄ Abs. B V | Nachtzuschlag „G“ (zwischen 22:00 und 06:00 Uhr) | 26,23€ |
GOÄ Abs. B V | Samstagszuschlag „H“ | 19,82 € |
Summe (nicht steigerungsfähiges Honorar) | 246,61 € |
Kein Steigerungsfaktor möglich
Bemerkenswert ist, dass die altbekannten Möglichkeiten, gemäß § 5 GOÄ die medizinische Schwierigkeit, den erhöhten Zeitaufwand oder besondere Umstände für den Ansatz eines über dem 2,3-fachen liegenden Faktors heranzuziehen, in der 5. Änderungs-VO zur GOÄ für die Leichenschau fehlen.
Neben 100 bis 102 dürfen die Nummern 60 (Ärztliches Konsil) oder 4 (Fremdanamnese) nicht berechnet werden, selbst wenn mehrere Personen befragt oder Informationsquellen bewertet werden mussten, um nähere Todesumstände zu klären und um präzise Angaben in die amtlichen Papiere schreiben zu können. Dies alles ist mit dem Ansatz der Nummer 102, Mindestdauer zehn Minuten, abgegolten.
Die Formulare für vorläufige Todesbescheinigungen und Leichenschauscheine dürfen Ärzte als Auslagen nach § 10 GOÄ berechnen. Durchschnittliche Kosten dafür liegen bei 2,50 bis 4 € pro Formularsatz.
Werden Angehörige des/der Verstorbenen bei Gelegenheit der Leichenschau beraten, untersucht, behandelt oder sonstwie betreut, können diese Leistungen im Sinne jeweils eigenständiger Behandlungsfälle abgerechnet werden.
Ein Besuch ist dafür aber trotzdem neben der Leichenschau nicht ansatzfähig.
Damit löst die 5. GOÄ-Änderungs-VO das altbekannte Problem nur teilweise. Denn zweifelsfrei findet eine Leichenschau dort statt, wo sich der/die Tote befindet.
Leichenschau vor Ort
Ärzte müssen sich dorthin begeben. Wegegelder und Zuschläge für die „Unzeit“ dürfen sie berechnen, den Besuch nicht.
Die Spitzfindigkeit, sich immer auf den in Nummer 50 GOÄ definierten Leistungsinhalt zurückzuziehen (weil schließlich Verstorbene nicht mehr beraten werden können), wäre unseres Ermessens leicht aufzulösen. In die nächste GOÄ könnte aufgenommen werden: „Aufsuchen eines/einer Toten zum Zweck der Leichenschau“, mit gegenüber der bisherigen Gebühr nach GOÄ 50 reduzierter Punktzahl.
Auch der aktuell in der Diskussion befindliche Vorschlag einer GOÄ-Novelle kennt einige Lücken in der Reihenfolge der GOÄ-Nummern, die dafür belegt werden könnten.
Der Autor: Dieter Jentzsch ist GOÄ-Experte bei Büdingen Med