Wettbewerbszentrale: Aktuelle Fälle aus dem Gesundheitswesen
Marzena SickingKnapp 11.000 Anfragen und Beschwerden wegen unlauterer Geschäftspraktiken gingen 2018 bei der Wettbewerbszentrale ein. Auch Ärzte und Krankenversicherer waren wieder im Visier der Wettbewerbshüter.
Boni und Gutscheine in Apotheken
So geht der Streit um die Zulässigkeit von Boni und Gutscheinen, die Apothekenkunden beim Kauf rezeptpflichtiger Arzneimittel mitgegeben werden, weiter. Zwei Entscheidungen der Wettbewerbszentrale sind derzeit beim Bundesgerichtshof anhängig.
Das OLG Frankfurt untersagte einer Apothekerin aus Hessen, ihren Kunden beim Erwerb eines rezeptpflichtigen Arzneimittels einen Gutschein über „2 Wasserweck oder 1 Ofenkrusti“ auszuhändigen, der bei einer in der Nähe liegenden Bäckerei eingelöst werden konnte (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 02.11.2017, Az. 6 U 164/16; F 4 0523/14).
In einem Berliner Fall erhielten Kunden einen 1-Euro-Gutschein bei Einlösung eines Rezeptes, den sie beim nächsten Kauf einlösen konnten. Das Kammergericht hielt die Werbemaßnahme für zulässig (KG Berlin, Urteil vom 13.03.2018, Az. 5 U 97/15; F 4 0278/14). Das OLG Frankfurt a. M. verlangte allerdings eine „lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit“, die bei einem Barrabatt von 1,00 Euro nicht gegeben sei. Wieder einmal muss hier also der BGH zur – hoffentlich – endgültigen Klärung beitragen.
Dauerproblem Kündigungsbestätigung
Regelmäßige Beschwerden gibt es auch zum Thema Kündigungsbestätigungen. Nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches müssen Krankenkassen ihren Mitgliedern unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen, eine Kündigungsbestätigung ausstellen.
Die Wettbewerbszentrale bemängelt aber, dass einge Krankenkassen die Kündigungen verzögert ausstellen oder sie von Bedingungen abhängig machen, etwa von einem vorherigen Telefonat, einem Hausbesuch etc. In einem Fall hat das Landgericht Berlin eine Krankenkasse zur Unterlassung verurteilt, denn die Krankenkasse hatte Versicherten zum Teil erst mehr als zwei Monate später die Kündigungsbestätigung zugeschickt (LG Berlin, Urteil vom 17.01.2017, Az. 16 O 47/16; F 4 0196/15).
Arbeitgeber mischt sich in die Krankenkassenwahl ein
Zugenommen haben die Fälle, in denen Arbeitgeber versuchen, ihre Mitarbeiter in eine bestimmte Krankenkasse zu drängen. So hatte ein großes Unternehmen neue Mitarbeiter angeschrieben und diese auf eine Krankenkasse hingewiesen, die – so wurde es den Adressaten erläutert – eine der ganz großen Krankenversicherungen Deutschlands und außerdem ein zuverlässiger Partner sei. Solche Aktionen sind wettbewerbswidrig und wurden von der Wettbewerbszentrale mit Unterlassungserklärungen beantwortet.
Was genau ist eine Praxisklinik?
Der Begriff der Praxisklinik beschäftigt die Wettbewerbshüter ebenfalls regelmäßig, da viele Patienten ihn mit einer regulären Klinik oder einem Krankenhaus gleichstellen. Ohne mindestens ein Bett, also eine Möglichkeit zur stationären Übernachtung, dürfe sich deshalb keine Einrichtung als Praxisklinik bezeichnen, so Rechtsanwältin und Mitglied der Geschäftsführung, Christiane Köber.
Fernbehandlung durch Ärzte
Dass das Thema Fernbehandlung neue Probleme aufwirft, zeigt auch ein von der Wettbewerbszentrale geführtes Musterverfahren. Denn was bei den bisherigen Diskussionen meist außer Acht bleibt, ist die Tatsache, dass § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) auch weiterhin die
Werbung für Fernbehandlungen verbietet. Deshalb hat die Wettbewerbszentrale die Werbung eines Versicherungsunternehmens beanstandet, das seinen Versicherten über eine App den „Digitalen Arztbesuch“ anbietet. Beworben wird nicht nur Diagnose und Therapieempfehlung, sondern auch Krankschreibung per App.
Die Wettbewerbszentrale hat einen Verstoß gegen § 3a UWG i. V. m. § 9 HWG beanstandet. Im beim Landgericht München anhängigen Prozess wird es unter anderem um die Frage gehen, ob § 9 HWG Ausdruck einer gesundheitspolitischen Grundsatzentscheidung ist, Werbung für Fernbehandlung generell, insbesondere aber für eine Krankschreibung, zu verbieten (F 4 0497/17).
Die Wettbewerbszentrale ging auch gegen eine Krankenkasse vor, die damit warb, dass ihre Kunden für den Zusatzbetrag, der seit Januar 2019 zur Hälfte vom Arbeitgeber zu tragen ist, nur 0,22 % zahlen müssten, obwohl es insgesamt 0,44 % waren. Die Zentrale reichte Klage ein. „Die Verbrauchervorstellung ist von einheitlichem Zusatzbeitrag geprägt“, betont Köber.
Quelle: Jahresbericht Wettbewerbszentrale