Nießbrauch: Wie Sie auf die Steuerbremse drücken können
Dr. jur. Alex JanzenEin steuerlich interessanter Weg für Ärztinnen und Ärzte ist der Nießbrauch. Damit können sie Grundstücke, Immobilien oder sogar ihre Arztpraxis an Dritte übergeben und gleichzeitig von Steuervorteilen profitieren.
Eine der ältesten und am meisten genutzten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern ist der Nießbrauch. Darunter versteht das deutsche Recht die Trennung des rechtlichen Eigentums von den Vorteilen aus der Nutzung des Eigentums. Das heißt: Ein Dritter kann Sachen oder Rechte nutzen, ohne dass das Eigentum daran an ihn übertragen wird. Der Gegenstand eines Nießbrauchs können einzelne Sachen, Sachgesamtheiten, Anteile an Personengesellschaften oder an juristischen Personen sein.
Nießbrauch an einzelnen Wirtschaftsgütern
Folgendes kleines Beispiel mag die Wirkung und die wirtschaftliche Bedeutung eines Nießbrauchs verdeutlichen: Angenommen, Sie als eine niedergelassene Ärztin beziehungsweise als ein niedergelassener Arzt haben ein Grundstück im Privatvermögen. Sie würden gern dieses Grundstück im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge Ihrem Kind schenken. Das Grundstück soll einen Wert von 800.000 Euro haben. Wenn Sie dieses Grundstück einfach an Ihr Kind verschenken, würde die Schenkung in der Höhe von 400.000 Euro nach Abzug des Schenkungssteuerfreibetrags von ebenfalls 400.000 Euro schenkungssteuerpflichtig sein. Unter Berücksichtigung der Schenkungssteuerklasse I müsste Ihr Kind als beschenkte Person für die betreffende Schenkung 44.000 Euro Schenkungssteuer (11 % der sogenannten Bereicherung nach § 19 ErbStG) entrichten.
Würden Sie stattdessen das besagte Grundstück Ihrem Kind schenken und sich den Nießbrauch am Grundstück vorbehalten, müsste der Wert des Nießbrauchs vom Wert des Grundstücks abgezogen werden. Hierzu müsste der Nießbrauch bewertet werden. Handelt es sich zum Beispiel um ein Grundstück, das ordentlich Erträge einbringt, kann der Wert des Nießbrauchs die Hälfte des Grundstückswerts oder in bestimmten Fällen auch mehr ausmachen. In unserem Beispiel würde die Bereicherung Ihres Kindes nach Abzug des Nießbrauchs lediglich 400.000 Euro (800.000 Euro Verkehrswert des Grundstücks – 400.000 Euro Nießbrauchswert) betragen. Nach Abzug des Schenkungssteuerfreibetrags von 400.000 Euro würde Ihr Kind das Grundstück komplett schenkungssteuerfrei erhalten. Sie als Nießbraucher würden weiterhin Nutzungen des Grundstücks wie Mieten oder Pachtzinsen vereinnahmen.
Nießbrauch an Einzelpraxen
Besonders interessant ist die Übertragung von Einzelunternehmen unter Vorbehalt des Nießbrauchs. So ist es möglich, dass eine Arztpraxis entgeltlich oder unentgeltlich an einen fremden Dritten oder an einen Angehörigen übertragen wird und der Übertragende für sich den Nießbrauch an der Arztpraxis vorbehält. Eine entgeltliche Übertragung einer Arztpraxis wird wie eine Betriebsverpachtung behandelt. Dabei steht dem Übertragenden das Wahlrecht zu, entweder nicht mehr als Arzt zu arbeiten oder weiterhin Einkünfte aus freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit zu erzielen.
Die unentgeltliche Übertragung unter dem Nießbrauchsvorbehalt erfolgt typischerweise an einen nahen Angehörigen. Ein Vorteil: Damit kann eine Aufdeckung der stillen Reserven mit der Folge von hohen Ertragsteuerbelastungen vermieden werden. Denn die Buchwerte der Wirtschaftsgüter der Arztpraxis müssen zwar vorgeführt werden, aber ohne dass stille Reserven aufgedeckt und damit versteuert werden müssen. Es ist allerdings umstritten, welche Auswirkungen das ärztliche Berufsrecht auf diese Art der Praxisübertragung hat. Es ist deshalb zu empfehlen, sich in diesen Fall vorab mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer abzustimmen.
Nießbrauch an Anteilen von Berufsausübungsgemeinschaften
Noch komplexer ist die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften unter Nießbrauchsvorbehalt – zum Beispiel an Berufsausübungsgemeinschaften in der Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Die Übertragung eines Mitunternehmeranteils und die Bestellung eines Nießbrauchs an diesem Anteil sind gesellschaftsrechtlich nur möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag dies erlaubt und die Mitgesellschafter einer solchen Übertragung zustimmen. Grundsätzlich ist diese Form der Übertragung aber sehr umstritten. Interessierte sollten sich daher zuvor unbedingt mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer abstimmen.
Wird die Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter Nießbrauchsvorbehalt anerkannt, können die Beteiligten je nach gesellschaftsvertraglicher Regelung und nach dem Übertragungsvertrag die Verteilung des Gewinns zwischen dem Übernehmer des Mitunternehmeranteils und dem Nießbraucher in bestimmten Grenzen bestimmen. Sind sowohl der Übernehmer als auch der Nießbraucher als Mitunternehmer zu betrachten – dies setzt die Tragung des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative durch beide voraus – können bestimmte laufende Gewinnanteile weiterhin dem Nießbraucher zugerechnet werden, während zum Beispiel Gewinne aus der Realisierung der stillen Reserven der Personengesellschaft sowie restliche steuerbilanzielle Gewinnanteile dem Übernehmer des Mitunternehmeranteils zuzurechnen sind. Verluste sind grundsätzlich vom Übernehmer in dessen Funktion als Gesellschafter zu tragen, wobei es möglich ist, dass der Gesellschaftsvertrag die Verluste stattdessen ebenfalls dem Nießbraucher zuweist.
Durch diese Flexibilität kann die Aufteilung der Erträge in einer Personengesellschaft und deren Versteuerung fein austariert werden, vorausgesetzt die Finanzverwaltung erkennt die Übertragung eines Personengesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt an. Vor einer solchen Übertragung sollte daher eine verbindliche Auskunft bei der Finanzverwaltung nach § 89 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) eingeholt werden, um später vor etwaigen unerwünschten steuerlichen Folgen der Übertragung abgesichert zu sein.
Nießbrauch an Anteilen der Ärzte-GmbH und MVZ GmbH
Theoretisch können ebenfalls Anteile an juristischen Personen unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden. Aufgrund einer geringen Anzahl von juristischen Personen als Erbringer von medizinischen Leistungen ist es allerdings noch weitgehend ungeklärt, inwiefern Erkenntnisse aus der Übertragung von Anteilen an juristischen Personen unter Nießbrauchsvorbehalt in anderen Branchen auf die Übertragung von Anteilen an Ärzte-GmbHs oder an MVZ angewendet werden können.