Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Drei bis fünf Jahre – so lange im Vo­raus sollten Praxisinhaber nach einer allgemeingültigen Empfehlung aktiv werden, um die Übergabe zu planen. Eine sorgfältige Planung kann dazu beitragen, die Kontinuität in der Behandlung zu gewährleisten. Das betrifft nicht nur diverse organisatorische, sondern auch rechtliche Aspekte. Unsicherheiten gibt es zum Beispiel bei der Frage, was mit der Patientenkartei geschieht, sobald die Praxisabgabe unmittelbar bevorsteht. Denn hier ist besonders die Aufbewahrungsfrist von Patientenakten zu beachten.

Sie beträgt nach § 630f BGB zehn Jahre nach Abschluss der Behandlung, soweit nicht nach anderen Vorschriften andere Aufbewahrungsfristen bestehen. Da even­tu­elle Haftungs­ansprü­che im Einzel­fall bis zu 30 Jahre geltend gemacht werden können, sollten die Akten über der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist hinaus aufgehoben werden.

Ärztinnen und Ärzte sollten ihre Patientenkartei vor der Praxisabgabe gründlich überprüfen, um festzustellen, welche der betreffenden Daten sie bereits löschen dürfen, und welche noch nicht. Die Dokumentation der Patientenkartei geht dann in aller Regel an den Praxisnachfolgenden.

Welche Datenschutzvorschriften bei Patientenakten gelten

Allerdings müssen Praxisabgeber und -übernehmer hier einige rechtliche Vorgaben beachten. So ist es beispielsweise nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs unzulässig, die Patientenkartei gesondert zu verkaufen. Sie ist daher Teil einer Mitveräußerung beim Praxisverkauf. Um den Datenschutz zu wahren und die ärztliche Schweigepflicht nicht zu verletzen, ist für die Übergabe der Patientenkartei die Einwilligung der Patienten erforderlich.

Außerdem sollten Verkäufer und Käufer das „Zwei-Schrank-Modell“ anwenden. Demnach vereinbaren beide Parteien, wie bei der Praxisübergabe mit Patientendaten verfahren wird: Die Patientenakten aus der Zeit des alten Besitzers werden in einem anderen Schrank aufbewahrt als die Akten, die der neue Besitzer anlegt. Dem Nachfolger oder der Nachfolgerin ist es nicht gestattet, auf die bestehenden Akten zuzugreifen – solange bis die Bestandspatienten es explizit erlauben.

Diese Einwilligung sollte in jedem Fall schriftlich erfolgen und entsprechend dokumentiert werden, um den Datenschutz der Patienten zu wahren. Wurden die Patientendaten elektronisch gespeichert, sollten geeignete Zugangsbeschränkungen eingerichtet werden, etwa durch Passwörter. In jedem Fall sollte die Übergabe der Patientenkartei auch vertraglich fixiert werden. Generell ist es für abgebende Praxisärztinnen und -ärzte wichtig, den Praxiskaufvertrag rechtssicher zu gestalten, da in dessen Gestaltung weitere Fallstricke lauern können.

Wie ein rechtssicherer Vertrag aussehen könnte

So regelt § 613a BGB beispielsweise die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang. Die bestehenden Arbeitsverhältnisse des Praxispersonals werden in diesem Fall von neuen Praxisinhabenden automatisch übernommen, eine Kündigung aufgrund des Betriebsübergangs ist unwirksam. 

Zwar gibt es kein absolutes Kündigungsverbot – der Gesetzgeber räumt ein Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen ein – allerdings ist dies meistens einzelfallabhängig. Im Sinne der Patientenversorgung sollten Niedergelassene darauf hinwirken, dass der Nachfolger von diesem Kündigungsrecht nicht Gebrauch macht und die Patienten weiterhin auf das bekannte Team vertrauen können.

Musterverträge der KVen enthalten oft auch eine sogenannte Konkurrenzschutzklausel. Sie soll verhindern, dass sich abgebende Ärztinnen und Ärzte im näheren Umkreis anderweitig niederlassen oder anstellen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung sollte ein solcher Konkurrenzschutz nur für die Dauer von zwei Jahren wirksam vereinbart werden und auch örtlich begrenzt sein, abhängig vom Einzugsgebiet der Praxis. Im Streitfall könnte sie ansonsten unwirksam werden.

Weitere wichtige Klauseln im Übergabevertrag sind Ansprüche zur Mängelhaftung und eine Regelung, welcher Vertragspartei das Honorar aus den bis zur Übergabe erbrachten Leistungen zusteht. Auch sollten zulassungsrechtliche Vorgaben unbedingt in den Vertrag mit hinein, um einen möglichst reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Eine entsprechende Formulierung im Mustervertrag der KV Nordrhein lautet zum Beispiel: „Der/Die Übergeber/in verpflichtet sich, alles ihm/ihr Mögliche und Zumutbare zu unternehmen, um die Zulassung des/der Übernehmers/in zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu erreichen.“ Der Kaufpreis gehört ebenfalls mit dazu, hier insbesondere mit Vereinbarungen über die Fälligkeit und die Zahlungsweise.

So ermitteln Sie den Wert Ihrer Praxis

Bezüglich des Kaufpreises ist es auch ratsam, dass sich Praxisabgeber und Nachfolger bei der Methode der Praxiswertermittlung abstimmen. Zu den geläufigsten Berechnungsmethoden zählen die Bundesärztekammermethode sowie das modifizierte Ertragswertverfahren. Die Bundesärztekammermethode berücksichtigt zum einen den materiellen Wert der Praxis (den sogenannten Substanzwert), der sich unter anderem aus der Praxiseinrichtung, den medizinisch-technischen Geräten und der EDV-Ausstattung errechnet.

Formel für die Berechnung des Praxiswerts (nach der Bundesärztekammermethode)

Praxiswert = [(übertragbarer Umsatz – übertragbare Kosten – alternatives Arztgehalt) x Prognosemultiplikator] + materieller Wert

Als alternatives Arztgehalt wird der Durchschnittsverdienst eines Oberarztes herangezogen. Der Teil der Formel, der in Klammern steht, ermittelt den Goodwill der Praxis. Dieser immaterielle Wert bewertet die Patientenbindung einer Praxis — basierend auf dem Prognosemultiplikator, der auch Faktoren wie Fachrichtung und geografische Lage der Praxis mit einbezieht.

Im Gegensatz zur Bundesärztekammermethode verwendet das modifizierte Ertragswertverfahren andere Parameter zur Berechnung:

Formel für die Berechnung des Praxiswerts (nach dem modifizierten Ertragswertverfahren)

Praxiswert =     [(zukünftige Überschüsse der Periode – kalkulatorischer Arztlohn – Steuern) x Abzinsungsfaktor] + Verkehrswert (entspricht dem materiellen Wert)

Der kalkulatorische Arztlohn ist dabei nicht automatisch der Durchschnittsverdienst eines Oberarztes. Praxisinhaberinnen und -inhaber können ihn individuell festlegen. Maßgeblich für die Berechnung sollten fachliche Qualifikationen, alternative Verdienstmöglichkeiten und der für die Erzielung des Gewinns erforderliche zeitliche Einsatz für die Praxis sein.

Das modifizierte Ertragswertverfahren geht außerdem von einer sogenannten Goodwill-Verflüchtigung aus. Demnach verflüchtigt sich der Einfluss des Praxisabgebers auf den Praxiserfolg nach dem Ausscheiden des bisherigen Praxisinhabers verhältnismäßig rasch. Der Käufer baut sich während des Kapitalisierungszeitraums seinen eigenen Ruf und seine eigenen Patientenbeziehungen auf, die dann wirtschaftlich als Goodwill des neuen Praxisinhabers anzusehen sind.

Auf Niedergelassene kommen in dieser Hinsicht noch steuerliche Aspekte hinzu, die sie bei der Abgabe zu berücksichtigen haben. Vom Verkaufspreis werden in der Regel steuerliche Restbuchwerte und Veräußerungskosten abgezogen, die Summe ermittelt den Veräußerungsgewinn. Der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Praxis ist steuerpflichtig, allerdings können Praxisinhaber hier auch Vorteile geltend machen.

Wer zum Beispiel mindestens 55 Jahre alt ist, ist nach § 16 Abs. 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) berechtigt, einen Freibetrag von 45.000 Euro auf den zu versteuernden Veräußerungsgewinn zu beanspruchen. Bis zu einer Grenze von 136.000 Euro lässt sich der volle Freibetrag abziehen. Übersteigt der Veräußerungsgewinn diese Grenze, so wird der Freibetrag um den übersteigenden Betrag gekürzt. Das lässt sich durch dieses Rechenbeispiel veranschaulichen:    

Veräußerungsgewinn beträgt 160.000 Euro und übersteigt die Freibetragsgrenze um 24.000 Euro – damit ist der Freibetrag um 24.000 Euro geringer (= 21.000 Euro). Der zu versteuernde Betrag liegt damit bei 139.000 Euro.

Bei Veräußerungsgewinnen von mehr als 181.000 Euro entfällt der Freibetrag. Den gewährt der Fiskus darüber hinaus nur einmal, und Praxisverkäuferinnen und -verkäufer müssen ihn bei ihrer Einkommensteuererklärung explizit beantragen. Das gilt auch für den ermäßigten Steuersatz: Auf Antrag wird dann der verbleibende Betrag mit 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes versteuert. Eine steuerlich attraktive Alternative ist außerdem die Übergabe der eigenen Praxis an die nächste Generation.

Letztendlich ist jede Praxisabgabe auch individuell zu betrachten, einen „Musterleitfaden“, der sich auf alle Arztpraxen übertragen lässt, gibt es nicht. Daher sollten Praxisinhaberinnen und -inhaber ihre Abgabe auch immer von einem Steuerberater und einem Fachanwalt für Medizinrecht umfassend begleiten lassen. Die Vernetzung mit ärztlichen Kollegen im Ruhestand, die ihre Praxis bereits erfolgreich abgegeben haben, kann ebenfalls hilfreich sein. Am Ende gilt auch: Je besser sich Niedergelassene auf den Zeitpunkt der Praxisabgabe vorbereiten, desto mehr nützt es auch ihren Patienten.    

Heiko Fekete

Heiko Fekete

Redakteur Wirtschaft, ARZT & WIRTSCHAFT
Heiko Fekete ist Wirtschaftsredakteur bei ARZT & WIRTSCHAFT und befasst sich mit Themen rund um wirtschaftliche Praxisführung.

heiko.fekete@medtrix.group

 

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