Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Das Klischee vom reichen Arzt hält sich hartnäckig. Doch wer glaubt, dass niedergelassene Ärzte automatisch zu den Top-Verdienern gehören, irrt. Der Grund: In vielen Statistiken wird der Reinertrag einer Praxis als tatsächliches Einkommen dargestellt – dabei ist das nur die halbe Wahrheit. Denn was wirklich auf dem Konto des Arztes landet, sieht oft ganz anders aus.

Reinertrag vs. Nettoeinkommen: Der große Unterschied

Der Reinertrag zeigt nur die Differenz zwischen Einnahmen und Betriebsausgaben einer Praxis. Doch damit ist noch lange nicht das persönliche Einkommen des Arztes gemeint. Denn davon gehen noch Steuern, Versicherungen und Vorsorgebeiträge ab – oft ein erheblicher Teil. Der tatsächliche Gewinn, also das, was der Arzt am Ende in der Tasche hat, ist deutlich niedriger.

Was verdienen niedergelassene Ärzte wirklich?

Laut Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) lagen die durchschnittlichen Gesamteinnahmen je Arztpraxis im Jahr 2021 bei 756.000 Euro. Dieser Wert bezieht jedoch auch große medizinische Versorgungszentren (MVZ) und fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) ein – Strukturen, die die Durchschnittswerte deutlich nach oben verzerren. Die zugehörigen betrieblichen Aufwendungen beliefen sich auf durchschnittlich 420.000 Euro, was rechnerisch einen Reinertrag von rund 336.000 Euro pro Praxis ergibt.

Wesentlich näher an der Realität vieler Einzel- oder Gemeinschaftspraxen liegt jedoch der sogenannte Medianwert. Hier verzeichnete die Hälfte aller Praxen im Jahr 2021 Einnahmen von höchstens 464.000 Euro, Aufwendungen bis 226.000 Euro und damit einen Reinertrag von maximal 233.000 Euro.

Noch aussagekräftiger wird das Bild, wenn MVZ und fachübergreifende BAG ganz herausgerechnet werden: Dann lagen die durchschnittlichen Einnahmen bei 656.000 Euro, die Aufwendungen bei 333.000 Euro – der daraus resultierende Reinertrag bei 323.000 Euro pro Praxis. (Quelle: Destatis).

Warum der Median oft ehrlicher ist als der Durchschnitt

Wenn es um Praxisfinanzen geht, fällt häufig das Wort „Durchschnitt“ – doch dieser Wert kann täuschen. Denn besonders umsatzstarke Großpraxen oder spezialisierte Fachrichtungen wie Radiologie oder Labormedizin ziehen den rechnerischen Mittelwert stark nach oben. Der Medianwert bietet hier ein realistischeres Bild: Er zeigt nicht den arithmetischen Durchschnitt, sondern den „zentralen“ Wert – also den Punkt, bei dem genau die Hälfte aller Praxen darunter liegt und die andere Hälfte darüber. So werden extreme Ausreißer nach oben oder unten ausgeblendet. Für die wirtschaftliche Realität vieler niedergelassener Hausärztinnen, Internisten oder Gynäkologinnen ist der Median deshalb oft der aussagekräftigere Indikator: Er zeigt, was typischerweise in einer Praxis erwirtschaftet wird – und nicht, was im rechnerischen Mittel möglich wäre.

Hierbei handelt es sich aber nicht um einen Gewinn, denn von diesem Betrag müssen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte noch persönliche Ausgaben stemmen:

  • Einkommensteuer – abhängig vom individuellen Steuersatz

  • Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung – muss vollständig selbst gezahlt werden

  • Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken

Zieht man diese Posten ab, ergibt sich – je nach individueller Belastung durch Steuern, Sozialabgaben und Vorsorge – ein Netto von etwa 120.000 Euro im Jahr – oder rund 10.000 Euro im Monat. Je nach Fachrichtung, Standort, Praxisstruktur und Steuerklasse kann das Nettoeinkommen jedoch erheblich schwanken.

In der öffentlichen Diskussion wird häufig von einem niedrigeren „durchschnittlichen Nettoeinkommen“ in Höhe von rund 5.000 Euro pro Arzt gesprochen. Diese Zahl ist allerdings nicht mit dem statistischen Nettoeinkommen identisch, sondern bezieht sich meist auf das, was als „frei verfügbares Einkommen“ bleibt, wenn auch freiwillige Rücklagen, Kapitalbildung und Investitionen berücksichtigt werden, Ein solcher Rechenweg führt jedoch zu einem verzerrten Bild – denn bei anderen Berufsgruppen gelten freiwillige Rücklagen und Investitionen nicht als Abzug vom Nettoeinkommen.

Warum gibt es so große Einkommensunterschiede in der Ärzteschaft?

Nicht alle Ärzte verdienen gleich. Das Einkommen hängt stark von Fachgebiet und Standort ab: Radiologen und Augenärzte erzielen oft überdurchschnittliche Gewinne, weil sie viele Privatpatienten und Selbstzahlerleistungen haben. Allgemeinmediziner und Hausärzte verdienen meist weniger, haben aber stabile Einnahmen durch Kassenpatienten.

Stadt vs. Land: In Großstädten sind die Kosten höher, aber auch das Patientenaufkommen. In ländlichen Regionen gibt es Förderprogramme für Hausärzte, die das Einkommen stabilisieren.

Wie Ärzte ihr Nettoeinkommen optimieren können

Praxisinhaber haben einige Stellschrauben, um mehr aus ihrem Ertrag herauszuholen:

  • Investitionen geschickt absetzen – Geräte, Praxisumbauten oder IT-Lösungen lassen sich steuerlich geltend machen.

  • Fixkosten minimieren – Gemeinschaftspraxen oder Praxisgemeinschaften teilen sich Miete und Personal.

  • Mehr Privatpatienten gewinnen – Zusatzangebote wie Präventionsmedizin oder individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) können die Marge verbessern.

  • Nebenverdienste nutzen – Gutachtertätigkeiten, Lehrtätigkeiten oder Online-Kurse bieten zusätzliche Einkommensquellen.

Die versteckten Kosten des Arztberufs

Neben den klassischen Fixkosten gibt es eine wachsende finanzielle Belastung durch Bürokratie und Digitalisierung: Elektronische Patientenakte, eRezept und TI-Anbindung – gesetzliche Vorgaben, die Ärzte teuer zu stehen kommen. Und natürlich auch die stetig wachsende Bürokratie – Dokumentationspflichten und Abrechnungsregeln binden in den Praxen jede Menge an Zeit und Geld.

Praxisübernahme: Eine finanzielle Hürde für junge Ärzte

Wer sich niederlassen will, braucht Kapital. Die Übernahme einer Praxis kostet schnell zwischen 150.000 und 500.000 Euro. Förderprogramme und Finanzierungsmodelle helfen, doch die finanzielle Unsicherheit ist ein großes Risiko. Viele junge Ärzte ziehen deshalb eine Anstellung vor – mit geregeltem Einkommen und weniger Verantwortung.

Vergleich mit anderen akademischen Berufen

Ob sich der hohe Arbeitsaufwand lohnt? Hier ein Vergleich mit anderen Berufsgruppen, die ebenfalls zu den Top-Verdienern gezählt werden:

  • Rechtsanwälte & Unternehmensberater haben ähnliche Einkommensniveaus, aber oft bessere Work-Life-Balance.

  • Ingenieure & IT-Experten arbeiten weniger Stunden und verdienen in Führungspositionen vergleichbar gut.

  • Beamte & Hochschulprofessoren haben zwar ein niedrigeres Gehalt, aber profitieren von stabilen Renten und weniger Stress.

(NIedergelassene) Ärztinnen und Ärzte verdienen in der Regel also tatsächlich ganz gut – aber nicht so viel, wie viele glauben. Vor allem die hohen Kosten und Abgaben lassen das Nettoeinkommen der Mediziner deutlich schrumpfen. Um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, müssen Praxisinhaber also klug kalkulieren, Steuervorteile nutzen und ihr Angebot strategisch ausrichten.

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