Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht

Ein beispielhafter Fall ist der einer 72-jährigen Patientin, bei der Linsentrübungen festgestellt wurden. Die Sehschärfe betrug rechts 0,5 links 0,7-0,8. Der Hausaugenarzt überwies die Patientin zur Kataraktoperation (Austausch der Linsen). Beim Aufklärungsgespräch wurde die Frau über das seltene, eingriffsimmanente Risiko des Sehverlustes durch die Operationen und die vorangehenden peribulbären Anästhesien aufgeklärt.

Die OP am rechten Auge verlief problemlos. Bei der zweiten Operation am linken Auge kam es im anästhesiologischen Bereich zu Komplikationen. Bei dem ersten Versuch die Nadel zu setzen, kam es zu einer unwillkürlichen Kopfbewegung der Patientin, die eine Perforation im Auge zur Folge hatte. Die Operation wurde daraufhin abgebrochen und die Patientin unverzüglich in die Universitäts-Augenklinik überwiesen. Die Sehfähigkeit auf dem linken Auge konnte aber nicht gerettet werden. Die Patientin klagte.

Entscheidung im erstinstanzlichen Verfahren

Das Landgericht wies die Klage zurück, da die Bulbusperforation und der Verlust der Sehfähigkeit zu den eingriffsspezifischen Risiken gehören würden. Die medizinischen Standards seien nicht unterschritten. Die vorangegangene Aufklärung der Patientin ausreichend gewesen. Das Landgericht ging bei seinem Urteil zudem davon aus, dass die Kataraktoperation alternativlos gewesen sei. Auch zu dem anästhesiologischen Vorgehen bestand nach Auffassung der Richter keine Alternative.

Neue Zuordnung im Berufungsverfahren

Demgegenüber wurde in dem Berufungsverfahren die mögliche Tropfanästhesie als Alternative in Betracht gezogen. Durch diese entfällt zwar das Risiko der Bulbusperforation, das Operationsrisiko steigert sich durch die verbleibende Mobilität der Augenmuskulatur allerdings deutlich. Davon, ob das eine echte Behandlungsalternative gewesen wäre, hängt aber ab, inwieweit eine zusätzliche Aufklärung der Patientin darüber hätte erfolgen müssen. Das Berufungsgericht hat diese Beweisfragen offen gelassen und den Abschluss eines Vergleichs angeraten.

In diesem Fall hat der Arzt Glück gehabt. In einem anderen wurde der behandelnde Mediziner aber zur Zahlung von hohem Schmerzensgeld verurteilt. Nach Meinung dieses Gerichts müsse vor solchen Operationen eine schonungslose und ausreichende Risikoaufklärung über alle möglichen Anästhesiealternativen erfolgen.

Auch wenn die Entscheidung über die angebrachte Anästhesieform eigentlich dem augenärztlichen Operateur vorbehalten bleibt, so sollten doch alle möglichen, nicht ausschließbaren Anästhesiemethoden (Vollnarkose, PBA, Tropfanästhesie) mit dem Patienten erörtert werden, um die nachträgliche Haftung für mangelnde Risikoaufklärung auszuschließen.

Quelle: HDI